Ein Modell für kooperative Arbeit

von Manuela Mittermayer und Tom Zuljevic-Salamon //
Die Sozialpolitik ist gescheitert.


Zumindest dann, wenn man als Ziel von Sozialpolitik versteht, dass sie den Zusammenhalt der Gesellschaft sichern soll und Menschen vor dem Ausschluss aus der Gesellschaft bewahren. Die in der Tabakfabrik Linz angesiedelten QuerdenkerInnen wollen sich mit diesem Befund nicht zufrieden geben und haben ein neues Genossenschaftsmodell entwickelt, um Menschen in „Arbeit und Brot“ zu halten. Wenn der Staat die gesellschaftliche Solidarität aufkündigt, dann müssen wir diese eben selbst schaffen.

Die Zahl der arbeitslosen Menschen steigt, die Antworten der für Sozialpolitik Zuständigen sind Kürzungen für jene, die Sozialleistungen am nötigsten haben. Das AMS beginnt mittlerweile Menschen, die als nicht vermittelbar gelten, nur mehr sehr eingeschränkt zu betreuen.

Die Sozialfirma „Die QuerdenkerInnen“ ist damit sehr unzufrieden. Denn sie beschäftigt, berät und betreut schon seit langem auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Menschen, die aus verschiedenen Gründen sehr lange Pausen in der Arbeitswelt hatten oder Menschen, die sich gerade in einer akuten Krise befinden.
In den vergangenen zwanzig Jahren wurde in vielen Ländern eine neue Sozialpolitik unter Stichworten wie Work Not Welfare, Arbeit statt Sozialhilfe, Arbeitsintegration, 1-Euro-Jobs, Integration statt Rente oder Ähnlichem durchgesetzt. Diese Sozialpolitik lässt sich mit einem aus dem Amerikanischen stammenden Neologismus kurz als Workfare bezeichnen (als Zusammenzug der Worte Work und Welfare) (Wyss, 2007). Die Anzahl der Menschen, die, obwohl sie arbeiten, an oder unterhalb der Armutsgrenze leben, ist in Österreich seither gestiegen. Oft endet der Kreislauf an „Sozialbetreuung“ mit einer dauerhaften Exklusion aus der Arbeitswelt und damit auch an vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen.
Soziale Unternehmen und sozialökonomische Betriebe, die sich dieser Aufgabe bewusst sind, sind zusehends unter Druck geraten und haben viel an Spielraum verloren, innerhalb dessen sie Menschen mit Benachteiligungen sinnvoll unterstützen können. Daran, etwas Neues auszuprobieren, wäre unter diesen Umständen eigentlich gar nicht zu denken.
Den Mainstream in Frage stellen!
Wie ist diese Entwicklung zustande gekommen? Was bedeutet das für die betroffenen Personen in Hinblick auf langfristige Existenzsicherung? Ist die herkömmliche Sozialpolitik gescheitert? In Anbetracht der derzeitigen arbeits- und sozialpolitischen Entwicklungstendenzen muss man diese Frage klar mit ja beantworten. Die Beerdigung des Anspruchs der Vollbeschäftigung und die gleichzeitige Einführung von separatistischen Modellen, die ganze Bevölkerungsgruppen ausschließt, lassen keinen anderen Schluss zu. In einer Phase, in der alle sozialen Träger aufgrund des Verlangens der Fördergeber die Worthülsen der Inklusion strapazieren und in ihre Leitbilder einarbeiten, beamt uns die aktuelle Politik vor das Zeitalter der Integration zurück, und die Phase der Separation feiert ein Comeback.

Genossenschaft gegründet

„Koop Arbeit“ ist eine neu gegründete Genossenschaft, die ab Herbst 2016 Arbeitsplätze für Menschen mit besonderem Beratungs- und Betreuungsbedarf anbieten wird. Das dahinterstehende Modell der kooperativen Arbeit orientiert sich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten aller beteiligten Menschen. Denn wir sind davon überzeugt, dass alle Menschen Arbeitsplätze brauchen, die ihren individuellen Möglichkeiten, Vorlieben und Fähigkeiten entsprechen und die alleine oder in Kombination mit Sozialleistungen existenzsichernd wirken. Nur so können alle langfristig im Arbeitsprozess bleiben, kreativ und produktiv sein und ihr Grundrecht auf gesellschaftliche Teilhabe wahrnehmen.
Dem Modell der kooperativen Arbeit liegen fünf wesentliche Thesen oder Modelle zugrunde. Das Modell der Entwicklungs- und Arbeitsfähigkeit basiert auf einer umfassenden und potentialorientierten Evaluierung persönlicher Talente und Fähigkeiten.
Das Modell von Frithjof Bergmann und dem „was ich wirklich wirklich will“ baut auf einer kritischeren Konsumhaltung und einer elementaren Stärkung des Community-Gedankens, unterstützt durch Technologiesupport, auf.
Die Studie zum Thema „Zukunft der Gemeinnützigkeit“ vom Zukunftsinstitut kommt zum Schluss, dass die Schaffung eines vierten Sektors unbedingt notwendig ist. Erst wenn Gemeinnützigkeit, Politik und Wirtschaft sich nach allen Seiten öffnen, Vorbehalte abbauen und das gesamtgesellschaftliche Mindset der Kollaboration und Konnektivität operativ umsetzen, kann das Erreichen gemeinwohlorientierter Ziele maximal gefördert werden.
Jeremy Rifkin meint in seiner These der Gratisgesellschaft überhaupt, dass Besitz überholt ist und dem Teilen die Zukunft gehört. Und das schon lange bekannte Modell des „supported employment“ stellt die bedingungslose Inklusion in den Mittelpunkt.
Die Schnittmenge all dieser Modelle ist neben Respekt und Wertschätzung ganz grundsätzlich die Solidarität und die Solidargemeinschaft. Ohne diese solidarische Grundhaltung wird Frithjof Bergmanns düstere Vision der „Schlachten um die Arbeit“ Realität werden.
Koop Arbeit – die Genossenschaft versucht hier einen neuen Weg zu gehen und experimentellen Raum zur Verfügung zu stellen, mit der Hoffnung neue Modelle abseits der teilweise menschenverachtenden Regeln des ersten Arbeitsmarktes zu schaffen.

 

//Tom Zuljevic-Salamon ist Landwirt, Sozialpädagoge, Berater, … und noch so vieles mehr (!) und hat vor 12 Jahren aus Überzeugung die Sozialfirma „Die QuerdenkerInnen“ gegründet.

Manuela Mittermayer ist Soziologin, ein wenig umtriebig und oft auch unzufrieden im Sozial- und im Kulturbereich, sie beginnt grad wieder, Neues zu schaffen, weil es so schön ist, wenn es etwas einfach dauerhaft gibt!

Die QuerdenkerInnen befinden sich
in der Tabakfabrik,
Peter Behrensplatz 10, 4020 Linz
koop.arbeit@die-querdenker.at

Zuletzt geändert am 08.07.16, 00:00 Uhr

Verfasst von Silke Müller

Ein Duett aus Radiofeature-Produktion und Illustrationsausstellung hat mein Kommunikationsdesign und Medienstudium abgeschlossen. Seit dem beschäftige ich mich mit der großen, künstlerischen Radioform "Feature", mit Reportagen und Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden.

Ich bin freischaftende Illustratorin für Plakate - zum Beispiel für Radio FRO - Zeitungen, Magazine, Bücher und Ausstellungen. Radiohören geht beim Zeichnen wunderbar.

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