Editorial

von Andi Wahl //
In den Tagen, als wir diese Ausgabe unseres Programmheftes zusammenstellten, wurde bekannt, dass Italien die Operation „Mare Nostrum“ (Unser Meer) einstellt.

achdem im Herbst des vergangenen Jahres binnen weniger Tage 352 Flüchtlinge vor Lampedusa ertrunken waren, mahnten viele europäische Politiker*innen noch, dass so etwas nie wieder geschehen dürfte. Daraufhin starteten die italienische Marine und die Küstenwache diese Seenotrettungsaktion. Laut der Menschenrechtsorganisa-tion Pro Asyl wurden durch „Mare Nostrum“ innerhalb eines Jahres über 130.000 Menschen vor dem Ertrinkungstod bewahrt.

Die anderen EU-Länder weigerten sich aber beharrlich, sich an den Kosten dieser Operation zu beteiligen. Nun wird „Mare Nostrum“ durch die Frontex-Operation „Triton“ ersetzt. Dass der Namenspatron Triton jener Meeresgott ist, der in der Argonautensage das gestrandete Schiff wieder zurück aufs offene Meer zog, mag Zufall oder Unachtsamkeit sein. Es ist aber bezeichnend. Ist doch nicht die Rettung von Menschen Aufgabe dieser Operation, sondern die Sicherung der EU-Außengrenzen. Damit verabschiedet sich die EU nun auch vom letzten Rest an Menschlichkeit. Denn die Außengrenzen sollen nicht vor feindlichen Mächten geschützt werden, sondern vor Menschen, die aus ihren Ländern flüchten. Dass die EU mit dieser Flüchtlingsabwehrstrategie gegen die UN-Flüchtlingskonvention und damit gegen das Völkerrecht verstößt, wissen alle, aber es kratzt niemanden.

Überhaupt werden UN-Konventionen immer weniger ernst genommen. Scheinbar werden sie von den Entscheidungsträger*
innen nur noch als unverbindliche Richtlinien oder als Nice-to-haves betrachtet. Auch in Oberösterreich. Und auch hier geht es um Menschenrechte. Zwar nicht um ihre Abschaffung, aber doch darum, wie viel Selbstbestimmung und Teilhabe Menschen mit Beeinträchtigungen zugestanden wird. Das 2007 vom Oberösterreichischen Landtag beschlossene Chancengleichheitsgesetz sicherte Menschen mit Beeinträchtigungen Hilfestellungen bei ihrer Alltagsbewältigung zu und atmete damals den Geist der 2006 in New York verabschiedeten UN-Behindertenrechtskonvention. Seither sind einige Jahre ins Land gezogen. Jahre, die dazu genutzt wurden, um Menschen den im Gesetz beabsichtigten Rechtsanspruch wieder abzugraben.

Mit Verfahrenshürden, Einkommensgrenzen und dem Hinweis, dass man für die benötigten Hilfestellungen leider kein Geld habe, wurden die vom Gesetz gewährten Rechte durch die Praxis der Anwendung wieder zurückgenommen. Mittlerweile warten etwa 6.000 Oberösterreicher*innen auf die ihnen gesetzlich zustehenden Hilfestellungen und haben so gut wie keine Aussicht, diese in den nächsten Jahren zu erhalten. Doch nun ist auch der Geduldsfaden jener gerissen, die es schon gewohnt sind, immer nur als Bittsteller*innen und nicht als Bürger*innen behandelt zu werden. In der „Allianz Chancengleichheit“ haben sich bisher 42 Organisationen und Interessenvertretungen zusammengeschlossen, um das Oö. Chancengleichheitsgesetz davor zu bewahren, totes Recht zu werden.

Wir haben dieser Initiative den Schwerpunkt dieses Heftes gewidmet. Günther Breitfuß hat einen wunderbaren Text verfasst, der auch Leute, die sich mit der Thematik noch nicht befasst haben, einen Eindruck vermittelt, worum es im Grunde geht – um ein Leben auf Augenhöhe. Mit Karin Kaufmann, Vertreterin der „Allianz Chancengleichheit“, und Landeshauptmann Pühringer habe ich Interviews geführt. Zudem liest du in diesem Heft einen Kommentar von Gunther Trübswasser, Mitglied des Monitoringausschusses zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.
Im zweiten Teil dieser Ausgabe erfährst du wieder allerhand rund um unser Radioprogramm. Seit der letzten Ausgabe ist es um neun (!) neue Sendungen und zwei Sprachen reicher geworden, was uns sehr glücklich macht. Wir wünschen den neuen Radiomacher*innen, dass sie sich über den Winter gut bei FRO einnisten! Das Sendungsfeature von Pamela Neuwirth widmet sich diesmal dem Projekt Ghostradio, das jeden dritten Dienstag im Monat dem Zufall auf der Spur ist. Außerdem gibt es Stimmen aus unseren Redaktionen, Neues aus unserer Arbeit und ein FRO-Weihnachtspaket im Angebot.

Du hörst von uns!

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Andi Wahl ist Geschäftsführer von Radio FRO.

Zuletzt geändert am 24.11.14, 00:00 Uhr

Verfasst von Silke Müller

Ein Duett aus Radiofeature-Produktion und Illustrationsausstellung hat mein Kommunikationsdesign und Medienstudium abgeschlossen. Seit dem beschäftige ich mich mit der großen, künstlerischen Radioform "Feature", mit Reportagen und Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden.

Ich bin freischaftende Illustratorin für Plakate - zum Beispiel für Radio FRO - Zeitungen, Magazine, Bücher und Ausstellungen. Radiohören geht beim Zeichnen wunderbar.

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