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Wir hassen Radio!

von Klaus Klöten //
René Monet und Benjamin Schmalhart werden gezwungen, monatlich eine Radiosendung zu machen.
"Café Depresso" heißt sie. Klaus Klöten führte ein Gespräch mit den beiden Moderatoren.

Es war der 8. Mai 2014, als sich René Monet und Benjamin Schmalhart zum ersten Mal sahen. In Ketten. Auf einem sehr kalten Boden in einem Studio. Es sollte eine Strafe von nie dagewesener Grausamkeit sein, die die beiden stadtbekannten Künstler zu einer Einheit zusammenschweißen würde: eine Sendung im freien Radio. Benjamin Schmalhart erinnert sich noch genau an den verhängnisvollen Tag: „Tja, ich war ja schon ein paar Mal im Gefängnis, auch habe ich Strafe gezahlt oder dem ein oder anderen Polizisten neue Schuhe kaufen müssen, aber das mit der Sendung… das war schon hart… sehr hart… wie der Boden. Ich kann Ihren Lesern nur eines raten: Versucht ja nicht, den Bundespräsidenten zu essen, sonst ergeht’s euch wie uns.“ Was vom Polizeidezernat Ludlgasse als adäquate Bestrafung gedacht war, sollte schon bald die gesamte oberösterreichische Freie-Radio-Satire-Sendungs-Szene in ihren Grundfesten erschüttern. Doch warum gelang es Café Depresso, woran so viele zuvor gescheitert waren: mehr als vier Zuhörer*innen zu erreichen?

„Ich weiß es nicht!“, erklärt René Monet lapidar, während er eine Pizzaecke vom Plattenteller hebt, abbeißt und dann mit vollem Mund weiterspricht: „Vielleicht war es Guidos Schweigsamkeit oder der Einfluss des Viagras im Sternzeichen Jungfrau,
kombiniert mit meinen homöopathischen Crystal-Meth-Schuheinlagen. Guido ist übrigens unser Studiopantomime. Vor kurzem wurde er Hollywood-Stummfilmsuperstar in dem Schwarzweiß-Schinken „Schau mal, wer da nicht spricht!“. Seither war er extrem arrogant. Ich habe ihn zur Strafe mit einem unsichtbaren Seil gefesselt und hinter einer unsichtbaren Wand eingemauert. Er brauchte Tage, um sich da wieder rauszutasten!“

Mehr Schweiß und Blut und Tränen!
Monet lacht schadenfroh, spuckt einige Teigbrösel ins Mikro. „Die erste Sendung war die schlimmste. Sie müssen wissen, wir hassen Radio! Wir saßen im Studio angekettet, die damalige Chefin des FRO peitschte uns im 5-Minutentakt, schrie uns an, wir sollten moderieren! Mehr österreichische Musik! Mehr Kunst! Mehr Schweiß und Blut und Tränen! Die Sendung musste die beste Radiosendung südlich des Mühlviertels werden. Ich konnte mich nur befreien, indem ich mir die Hand abbiss. Benjamin musste ich leider zurücklassen.“ René nimmt einen Schluck vom Bier, verschüttet einen Teil über das Mischpult, aus dem Funken sprühen, und winkt ab: „Egal. Ich weiß nicht mal, wofür diese ganzen Regler eigentlich sind.“
Brisante Themen wie Politik, Freiheit oder das Gute sind nur eine kleine Auswahl an Dingen, die von den beiden Satire-Stars erörtert werden. „Themen sind mir eigentlich wurscht, Radio ist mir eigentlich wurscht, ich bin ja nur hier, weil ich muss. Hätte ich die beantragte Weihnachtsamnestie bekommen, wär ich schon längst wieder in Ecuador, da bin ich nämlich eigentlich Präsident davon“, kommentiert Benjamin Schmalhart, während er eine antike französische Muskete ableckt und dabei nackt ist. Bei einer Erfolgswelle wie dieser fragt man sich natürlich, was da noch kommen kann.

Walkampf auf Leben und Tod
„Was noch kommt?“ René Monet blickt auf seine Uhr. „Keine Ahnung, ich muss in einer Stunde zum AMS, schauen, in was für einen sinnlosen Kurs die mich jetzt wieder schicken.“ Seit er fünf Jahre alt ist, ist der erfolglose Performance-Künstler Dauergast beim Arbeitsmarktservice. „Man bietet mir einfach keine guten Jobs!“, meint er enttäuscht. „Die letzten drei Monate war ich auf Walfang auf einem japanischen Forschungsschiff. Ich dachte, da ginge es um die nächste Landtagswahl, dabei war der Walkampf ein Kampf auf Leben und Tod. Jedes Mal. Diese Wäler können ganz schön unbeeindruckt sein gegenüber rationalen Argumenten. Die kümmert es nicht, wenn man ihnen androht, die Pensionen zu kürzen oder das ganze Meer mit Ausländern zu fluten. Aber wir haben sie alle aufgegessen. Auch das Hirn. Lecker. Dort hab ich mir allerdings auch mein Creutzfeldt-Jakob geholt. Lästig.“ Seine Hand zittert, er nimmt noch einen Schluck Bier. Später, angesprochen auf seine Alkoholabhängigkeit, behauptet er, sie wäre von seinen Adoptiveltern geerbt. „Benjamin, übernimm du mal das Mikro. Ich geh kurz eine rauchen. Und pass ja auf Guido auf, der stopft sich sonst wieder mit unsichtbaren Bananen voll.“
Wie kommt es zu einer Sendung wie Café Depresso? Wie entsteht solch ein Geniestreich? „Na ja, ich weiß ja nicht, wie Sie arbeiten. Aber ich persönlich komme morgens ins Büro und trinke so lange Kaffee, bis jemand merkt, dass ich hier gar nicht arbeite und verjagt werde. Ah ja, und ich konsumiere illegale Drogen, also richtig viele. Das hilft. Gegen den Schmerz und die Traurigkeit”, erklärt Benjamin, während er traurig ein Bild von Jörg Haider streichelt.

Marillenerscheinungen
Monet betritt wieder das Studio. Er schnippt achtlos einen Zigarettenstummel in eine Ecke. Dann schüttelt er resignierend den Kopf. „Seit Benjamin damals den Jörg in einer Disko mit Wodka unter den Tisch gesoffen hat, macht er sich wegen seines späteren Todes andauernd Vorwürfe. Dabei weiß doch jeder, dass das der Mossad war. Eastcoast gegen Westslowenien – äh – Kärnten. Oder so ähnlich.“ Plötzlich verdreht Schmalhart die Augen, fällt vom Sessel und bleibt regungslos liegen. Monet gibt ihm aufmunternd einen Tritt in die Rippen. „Ach, das wird wieder. Meist passiert das, wenn ihm der Schnaps ausgeht oder das Koks. Wenn er dann wieder aufwacht, faselt er was von „Marillenerscheinungen“ oder möchte mich zu seinem Glauben bekehren. Er glaubt an eine Teekanne im Weltraum. Aber ich halte nichts von Religion. Guido! Weck ihn doch bitte auf.“ Der Studiopantomime nimmt einen Kübel voller Blut und überschüttet Schmalhart damit.

Der Moderator erwacht, setzt sich auf seinen Sessel. „Wo bin ich? Hat die Sendung schon begonnen?“ Monet beachtet ihn nicht. „Guido war vorige Woche auf einem Orgien-Mysterien-Theater vom Nitsch. Hat ihn schwer beeindruckt.“Als ich noch weitere Fragen stellen will, setzt mich Guido vor die Tür. Die Lichter im Studio leuchten rot. Es ist Donnerstag. 20 Uhr. Café Depresso geht auf Sendung. Ein magischer Moment.

René Monet ist Autor und Slam-Poet. Er leidet und weint oft in Ansfelden.
Benjamin Schmalhart ist Autor und Slam-Poet. Er lebt und arbeitet in Linz.

Zuletzt geändert am 05.09.17, 03:31 Uhr

Verfasst von René Bauer

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