Parzival, Wagner und ich
von Veronika Moser ///
Am Abend des 11. April wurde mit einer Interpretation von Wagners Parsifal das Linzer Musiktheater eröffnet. Veronika Moser war dabei und berichtet wie es einer ergehen kann, die mit wachem Verstand einem solchen Event aussetzt. Von einer die auszog...
Nun haben wir es. „Unser“ Haus, das „Wohnzimmer von Linz“. Ein Musiktheater, errichtet an dem Ort, wo auch schon Hitler ein Opernhaus für seine Patenstadt geplant hatte. Aber gut. Im Berg sollte es ja nicht sein und in der Tat: es ist doch schön, wie sich das Gebäude zum Volksgarten hin öffnet. Die Stimmung im Park ist friedlich und die BesucherInnen scheinen sich wohl zu fühlen am elften April um viertel vor zehn, kurz vor der bevorstehenden Eröffnungsproduktion „Ein Parzival. Ein Spektakulum mit Musik von Richard Wagner.“ Wagner! Warum ausgerechnet Wagner? Warum wird dieses Musiktheater an diesem Ort ausgerechnet mit einem Open Air Wagner-Medley eröffnet? Wagner, bekannt für seinen antisemitischen Aufsatz „Das Judenthum in der Musik“. Wagner, Vorbild und Lieblingskomponist Hitlers. Parsifal, Lieblingsoper Hitlers. Was hat sich die Intendanz dabei gedacht? Was für eine Intendanz? Was für eine Intention. Was für eine Symbolik!
Heute ist Volksgartenparty
Aber gut. An so einem Detail wollen wir uns heute nicht stören. Heute ist Volksgartenparty, Wagner und sein Stück und seine Musik sind da eh nur nebensächlich. Denn seien wir uns mal ehrlich: viereinhalb Stunden Wagner – so lange dauert der Parsifal im Original – viereinhalb Stunden Geheule mit unverständlichem Text, das würde sich doch niemand freiwillig antun! Da wären wir ja um zwei Uhr früh noch nicht zu Hause, und mensch muss ja am nächsten Tag arbeiten! Also lassen wir uns lieber die 55minütige „Best of Parsifal“-Soundmontage gefallen, die Musik kommt aus der Dose, schöne große Boxen haben sie da montiert an der Musiktheater-Vorderfront und überall, starke Teile, wenn‘s die in klein gäbe, das wäre vielleicht sogar auch was fürs Heimkino zuhause. Musik wäre zwar schon schön gewesen zur Musiktheatereröffnung, so richtig, mit Instrumenten und Gesang und so, aber…
Schauen wir uns das mal an
Aber gut. An so einem Detail wollen wir uns heute nicht stören. Heute ist Volksgartenparty und es gibt richtig viel zu sehen. Schauen wir uns das mal an. Richtig viele Leute sind da beteiligt! Da! Da oben! Da hängen sie in der Luft, die DarstellerInnen der Spektakelgruppe „La Fura dels Baus“, hängen tapfer, während es rundherum schäumt und kracht und bumpert und explodiert, die haben schon Erfahrung mit Wagner und Großevents und so, das merkt man. Professionell schwindelfrei hängen sie da in den Klettergurten, ansonsten haben sie aber nicht viel zu tun, sie singen nicht, sie sagen nichts, und bewegen können sie sich eigentlich auch nicht, denn das machen die Kräne. Die Kräne sind von der Firma Felbermayr, das ist nicht zu übersehen, Felbermayr, Felbermayr, Felbermayr, in den verschiedensten Größen und Ausführungen. Also die Firma Felbermayr ist auch irgendwie beteiligt – „Wir sind ein europaweit kompetenter und leistungsstarker Partner für die Lösung schwierigster Transportprobleme“ – zum Beispiel gibt es da diese zehn Meter hohe Parsifal-Figur, die während des Stückes von der einen Seite des neuen Prachtbaus zur anderen transportiert werden muss und wieder zurück, und das ist gar nicht so einfach. Deshalb gibt es neben kompetenten KranführerInnen auch noch Bodenpersonal in weißen Astronautenanzügen, reich an der Zahl, man kann sie gut sehen, sie schwirren auf den Musiktheater-Treppen umher und mühen sich mit den Parsifal-Beinen ab und haben Funkgeräte am Ohr und verwalten Klettergurte und zünden Feuerwerkskörper, bumm!
Ja, richtig viel Personal haben sie da für den Parsifal, und geiles Equipment und Security-Personal und und… und es ist fast ein bisserl zum neidisch werden, ich meine, wir bei Radio FRO sind ja personell jetzt auch nicht so schlecht aufgestellt, aber im Vergleich…
Kultur kostet, aber Unkultur kostet noch viel mehr
Aber gut. Das kann man nicht vergleichen. Unsere Finanzministerin Maria Fekter hat das schon richtig gesagt in ihrer Rede zur Musiktheatereröffnung: „Kultur kostet, aber Unkultur kostet noch viel mehr.“ Und es ist ja auch nicht schlecht, wenn die Hochkultur Arbeitsplätze schafft, nicht wahr! Wobei man hier einräumen muss, dass es die Hochkultur (je höher, desto besser – daher das Hochseilgarten-Setting) auch nicht so dick hat mit dem Geld, wie man glauben möchte. Sie ist genauso wie Radio FRO auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen. Das Parzival-Spektakel wäre nämlich ohne die engagierte Mitarbeit von rund 50 Freiwilligen gar nicht möglich gewesen! Aus ganz Oberösterreich wurden freiwillige EröffnungsperformerInnen herbeigecastet, und nun hängen sie da über uns, über dem Volksgarten, in schwindelerregenden Höhen, an einer Hängevorrichtung, die an ein Mobile erinnert, oder an einen überdimensionalen Traumfänger, und sie winken zu uns herunter, die fünfzig HeldInnen in weißen Anzügen – die Lisi von nebenan, mein Bürokollege Johannes, mein Cousin Sebastian… Das Musiktheater gehört auch ihnen. Das Musiktheater gehört auch uns. Tosender Applaus. Applaus für die Pyrotechnik und die Felbermayrs und die Lisis und Johannes und Sebastians, ja den haben sie sich verdient, aber…
Worum geht‘s?
Aber welche Rollen haben sie da gespielt, die Lisi und der Johannes und der Sebastian, was haben sie dargestellt in den weißen Gewändern im schwarzen Himmel, was haben sie mit Parsifal zu tun und wer ist Parsifal und wer war Wagner und wer bin ich und was machen wir alle hier? Ich habe nicht verstanden, worum‘s geht und mir ist zum Weinen, so blöd komme ich mir vor, als Teil des Pöbels im Volksgarten. Bin ich blöd? Bin ich für blöd verkauft worden? Sind wir für blöd verkauft worden? Aber nein, wir haben ja keinen Eintritt bezahlt.
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Veronika Moser koordiniert den Kultur- und Bildungskanal auf Radio FRO 105.0, zu hören werktags von 17-18 Uhr.
Zuletzt geändert am 29.05.13, 00:00 Uhr
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