Anmerkungen zum Verhältnis zwischen Arbeit und Reichtum im Kapitalismus
In dieser Sendung geht es um das Verhältnis von Arbeit und Reichtum im Kapitalismus. Allein schon mit dieser Themenstellung unterscheiden wir uns von den sonst üblichen Kritiken an der Marktwirtschaft. Die üblichen kritischen Auffassungen über diese Gesellschaft beziehen sich auf das Verhältnis von Armut und Reichtum im Kapitalismus, und das durchwegs in der Form, „Trotz […]
In dieser Sendung geht es um das Verhältnis von Arbeit und Reichtum im Kapitalismus. Allein schon mit dieser Themenstellung unterscheiden wir uns von den sonst üblichen Kritiken an der Marktwirtschaft. Die üblichen kritischen Auffassungen über diese Gesellschaft beziehen sich auf das Verhältnis von Armut und Reichtum im Kapitalismus, und das durchwegs in der Form, „Trotz Reichtum in dieser Gesellschaft gibt es Armut“. Es wird damit die Behauptung in den Raum gestellt, dass Armut eigentlich nicht zur Marktwirtschaft passt. Es wird ein Gegensatz von Armut und Reichtum im Kapitalismus behauptet. In der Verlängerung heißt das dann:
• „Der Reichtum in dieser Gesellschaft ist ungleich verteilt“
• Es gibt die Klage über „working poor“, also Arbeitskräfte, die für ihre Arbeit so wenig bekommen, dass sie nicht ordentlich vom Verdienten leben können. Sie sind „Arm trotz Arbeit“ heißt das dann.
• Die allgemeinste Fassung von Armut in dieser Gesellschaft lautet Nicht-Arbeit. Keine Arbeit haben – das ist überhaupt das große „soziale Problem“.
Was all diese Beschwerden nicht zur Kenntnis nehmen wollen:
• In einer Marktwirtschaft wird nicht falsch oder ungerecht verteilt, es wird überhaupt nicht verteilt. Weder kommt der jährlich produzierte Reichtum als ein großes Gemeinschaftswerk zustande, und schon gar nicht gelangt anschließend irgendwo irgendwas zur Verteilung. Es gibt kein anderes Verhältnis der Gesellschaftsmitglieder im ökonomischen Verkehr untereinander als das des Kaufens und des Verkaufens.
• Wenn man aber schon dem Glauben anhängt, Einkommen würden irgendwie verteilt, wäre doch zu klären, wieso es dann immer dieselben sind – die Lohnabhängigen nämlich – , die bei dieser Verteilung zu kurz kommen. Dafür muss es doch einen systematischen Grund geben, der zu ermitteln wäre, anstatt einfach das festgestellte Ergebnis der ungleichen Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum schon für die ganze Erklärung zu halten. Anscheinend stehen im Kapitalismus Arbeit und Reichtum in einem gegensätzlichen Verhältnis, das vor allem für diejenigen ungesund und schädlich ist, die in dieser Gesellschaft die Arbeit verrichten. Produktiver Arbeiter zu sein im Kapitalismus, ist kein Glück, sondern Pech, hat schon Marx bemerkt.
Dass der Kapitalismus eine verrückte und ungesunde Art und Weise des Wirtschaftens ist, dafür liefert die derzeitige Corona-Pandemie auch in anderer Hinsicht einmal mehr eindrucksvolle Belege. Nachdem das Coronavirus zur Zeit noch nicht durch eine Impfung zu neutralisieren ist und es bei gravierendem Krankheitsverlauf noch kein sicheres Heilmittel gibt, ist die einzige Möglichkeit, dieses Virus Herr zu werden, ein möglichst vollständiges Herunterfahren aller Kontakte – nicht nur der privaten, sondern auch im Arbeitsleben. Gleichzeitig sind sich alle sicher, dass eine solche möglichst totale Quarantäne einfach nicht durchzuhalten ist. Zu groß sei der dadurch verursachte ökonomische Schaden. Nicht auffallen will denen, die so reden, dass der von ihnen genannte Schaden rein gar nichts damit zu tun hat, dass gewirtschaftet werden muss, seine Ursache vielmehr einzig in der herrschenden Art und Weise des Wirtschaftens – eines Wirtschaftens mit dem allseitigen Zweck, Geld zu verdienen – begründet ist. Nie hat es geheißen, es würde an Gütern mangeln, um die Leute zu versorgen. Im Gegenteil, Witze wurden über jene Zeitgenossen gerissen, die das Bedürfnis entwickelten, Gebrauchsgüter – vor allem das zu Berühmtheit gelangte Klopapier – in übergroßer Menge zu kaufen und für den Notfall einer befürchteten Unterversorgung zu horten. Alles, was Mensch so braucht, um es sich eine Zeitlang zu Hause gemütlich zu machen, war und ist vorhanden. Trotzdem waren bzw. sind sich alle aber sicher – und sie irren sich ja auch nicht – dass diese Wirtschaft einen solchen Lockdown so gut wie gar nicht verträgt.
Wenn aber nichts fehlt und das Wirtschaften trotzdem Schaden nimmt, dann kann es bei diesem Wirtschaften nicht um die Versorgung der Menschen mit Gebrauchsgütern gehen. Worum es geht, ist kein Geheimnis. Allen geht es darum, Geld zu verdienen, weil man in unserer Welt ohne Geld nichts kriegt und das nicht, weil es das Benötigte nicht gäbe, sondern weil alles, was man möchte und braucht, jemand anderem gehört, der den von ihm verlangten Preis bezahlt sehen möchte. Genau das – das Verdienen, um bezahlen zu können – kommt aber durch einen Lockdown einigermaßen durcheinander. Weil das so ist, kann eigentlich nichts, was Menschen so treiben, um Geld zu lukrieren, unterbleiben. Der Gastronom, der sein Gasthaus schließen muss, leidet nicht daran, dass er seine Gäste unversorgt weiß, sondern daran, dass er im Verkauf von Speisen seine eigene Einkommensquelle weiß. Der Friseur kann es sich nicht gut gehen lassen, wenn seine Kundschaft sich die Haare selbst färbt, weil er damit seine Einkommensquelle verliert. Wenn weniger geflogen wird, dann ist das zwar gut für das Klima, nicht aber für die Fluggesellschaften, die ihres Geschäftes verlustig gehen. So war das mit dem beschworenen notwendigen Klimaschutz nicht gemeint. Die Liste ließe sich beinahe endlos fortsetzen. In der Marktwirtschaft, einer Wirtschaftsweise, in welcher für Geld gearbeitet wird, die Arbeitsteilung nur als Arbeit für Zugriff auf fremdes Geld kennt, können noch nicht einmal Dichterlesungen, Kabarettvorführungen, Theater- und Opernvorstellungen – das Erbauliche, das den Menschen ihren Alltag versüßt – auch nur einen Tag unterbleiben, um nicht irreparablen Schaden zu verursachen. Eine vernünftige Hierarchie der Bedürfnisse nach dem Motto, man konzentriert sich eine Zeitlang auf das absolut Nötige und verschiebt die Befriedigung der anderen Bedürfnisse auf einen günstigeren Zeitpunkt, ist in dieser Gesellschaft offensichtlich nicht möglich.
Viele ziehen aus diesen Erfahrungen in Corona-Zeiten den Trugschluss, sich den in „Vor-Corona-Zeiten“ gewohnten Normalfall des alltäglichen Arbeitslebens herbeizusehnen.
Wer nicht schon wieder aus einer Krise einen falschen Schluss auf die Welt vor, nach oder ohne Krise ziehen will, sondern sich erklären will, was Arbeiten gegen Geld heißt, in welchem Verhältnis Arbeit – der Aufwand für die Herstellung der nützlichen Dinge, also die Erzeugung des materiellen Reichtums – zu dem Reichtum, um den es in der Marktwirtschaft geht, Geld , steht, der bekommt in dieser Sendung ein paar Erklärungsangebote.
Zuletzt geändert am 19.11.20, 14:25 Uhr