Editorial

Herzlich willkommen!
Schön, dass du reinschaust!
Es waren heiße Tage, als wir diese Ausgabe im Juli und August zusammenstellten. Gemeinsam mit vielen ehren- und hauptamtlichen Flüchtlingshelfer*innen schlossen wir uns zur „Plattform Solidarität“ zusammen – eine Vereinigung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, auf das Versagen der politisch Verantwortlichen bei der Aufnahme von Asylsuchenden hinzuweisen und eine sofortige Änderung der bewusst oder fahrlässig herbeigeführten Zustände zu erreichen.

Damals ging ein Ruck durch die Gesellschaft. Viele Ehrenamtliche übernahmen große Teile der Betreuung von Asylwerber*innen. „Wenn der Staat versagt“, so fasste es eine Professorin der Pädagogischen Hochschule OÖ bei einer von uns mitorganisierten Pressekonferenz zusammen, „dann müssen eben die Bürger*innen einspringen.“ Hunderte Menschen beteiligen sich alleine in Oberösterreich an Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylsuchende und machen dabei viele Erfahrungen. Eine davon ist, dass Engagement für Menschenrechte auch in Österreich extrem notwenig ist – auch wenn es verdammt viel Arbeit macht…

Das Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist in einem ähnlichen Feld angesiedelt. In der Redaktionsbesprechung kamen wir wieder einmal auf den Umstand zu sprechen, dass Hetze und Menschenfeindlichkeit in Österreich längst kein Randphänomen mehr sind. Haben wir es hier mit dem Shifting-Baseline-Syndrom zu tun? Die Sozialpsychologie spricht von diesem Phänomen, wenn die Referenzpunkte für das, was als normal empfunden wird, langsam und für die Individuen unmerklich abdriften. „Eine gespenstische Normalität hat sich da ausgebreitet“, so formuliert es Martin Schenk, der auf der diesjährigen Sommerakademie des Instituts für die Gesamtanalyse der Wirtschaft einen Vortrag über die sozialen und politischen Folgen ökonomischer Ungleichheit gehalten hat. In einer Nebenbemerkung sprach er vom „Extremismus der Mitte“. Das hat uns hellhörig gemacht und wir haben ihn gebeten, diesen Gedanken für das vorliegende Programmheft näher auszuführen.
Trotz seiner gnadenlosen Analyse wollen wir den Glauben an die Menschlichkeit nicht verlieren. Schließlich gibt es zahlreiche Beispiele auch hier in Oberösterreich, wie sich Menschen für andere Menschen und für Menschenrechte engagieren! Einige davon wollen wir in diesem Heft vorstellen. Der Verein Helping Hands etwa bietet wöchentlich und ehrenamtlich im Seminarraum von Radio FRO kostenlose Rechtsberatung für Asylwerber*innen an. Die Bettellobby OÖ vertritt die Rechte von Armutsmigrant*innen und hält seit kurzem ebenfalls bei uns im Haus monatliche Beratungsstunden ab. Außerdem findest du in diesem Heft einen Erfahrungsbericht von jenen „Goodmenschen“, die sich Anfang Juni zum Zeltlager in Linz aufgemacht haben, um zu sehen, wie sie die dort untergebrachten Asylsuchenden aktiv unterstützen können. Auch der Kommentar von Tina Leisch in dieser Ausgabe macht Mut: Ja, die Menschen haben mehr Herz und weniger Angst, als es den Herrschenden recht sein könnte!

Im Programmteil des Heftes stellen wir wie gewohnt die aktuellen Projekte und Aktivitäten deines Freien Radios vor. Es gibt einige neue Sendungen und wie du siehst, haben wir auch sonst jede Menge vor! Ganz besonders möchten wir auf das FRO Fest am 31. Oktober hinweisen, das wir dieses Jahr gemeinsam mit dem Kulturverein Willy veranstalten, der mit der Sendung „Willys Würschtelbude“ ja auch im FRO-Programm vertreten ist.
Das Sendungsfeature zum Satiremagazin „Café Depresso“ wird dich darüber aufklären, dass Radiomachen nicht nur Selbstverwirklichung und Selbstermächtigung bedeuten kann, sondern auch Fron, Blut, Schweiß und Dreck. Gemarterte Gestalten aus der Folterkammer von Radio FRO kommen hier zu Wort.
Was wir dir außerdem präsentieren wollen, schon weil wir uns freuen wie die Schneekönig*innen, ist unser neues Übertragungs-Fahrrad. Ja, endlich ist es fertig, das Ü-Rad! Eine großartige Sache, die Marcus Diess und Andreas Liska für uns entwickelt haben. Damit wird es nun ein Leichtes sein, aus allen Winkeln der Stadt zu berichten. Live oder via Aufzeichnung. All das und noch einiges mehr erwartet dich auf den folgenden Seiten.

Andi Wahl und Veronika Moser

PS: Immer wieder werden wir gefragt, wie wir es denn mit der journalistischen Distanz halten, wenn wir uns selbst zum Teil einer Initiative oder Bewegung machen (wie im aktuellen Fall der „Plattform Solidarität“). Wir meinen, hier eine klare Linie zu leben:
Im Prinzip sehen wir die Aufgabe von Radio FRO darin, zu berichten, zu informieren und in Frage zu stellen. Dabei halten wir – soweit wir es vermögen – zu allen den gleichen Abstand und schlagen uns auf keine Seite. Geht es allerdings um die Grundfesten der Gesellschaft, Menschenrechte, Demokratie oder das Recht, in Sicherheit und Würde zu leben, dann begeben wir uns offen in das Lager dieser Anliegen. Mehr noch, wir erachten es als unsere Bürger*innenpflicht.

Andi Wahl und Veronika Moser sitzen nebeneinander im FRO-Büro und haben gemeinsam das Programmheft für euch zusammengestellt.

Zuletzt geändert am 08.09.15, 00:00 Uhr

Verfasst von Silke Müller

Ein Duett aus Radiofeature-Produktion und Illustrationsausstellung hat mein Kommunikationsdesign und Medienstudium abgeschlossen. Seit dem beschäftige ich mich mit der großen, künstlerischen Radioform "Feature", mit Reportagen und Interviews mit KünstlerInnen und Kulturschaffenden.

Ich bin freischaftende Illustratorin für Plakate - zum Beispiel für Radio FRO - Zeitungen, Magazine, Bücher und Ausstellungen. Radiohören geht beim Zeichnen wunderbar.

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