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Günter Hochegger (1945-2014)

Brandzinken-Günter ist kürzlich im 69. Lebensjahr gestorben. Ein "Entwurf eines Nachrufes" verfasst von Sendungsmacher Erich Klinger.

Am 4.12.1945 in Raab in OÖ geboren, lebte und arbeitete Günter ab 1981 und bis zu seinem Tode in Linz. Er war in der „alten Stadtwerkstatt“ aktiv, so u.a. als Wirt im ersten Vereinslokal. Er lebte und arbeitete auch geraume Zeit in einem Nebengebäude der Stadtwerkstatt in der Friedhofstraße 6. Aus dieser Zeit stammte auch sein erster „Zweitname“: Smoking Bull. Günters künstlerische Arbeit konzentrierte sich damals auf Mosaike. Günter war eine Persönlichkeit, die sich bis zu seinem Tod nicht von selbstbestimmten Vorhaben abbringen ließ, er war, erzwungenermaßen, auch Lebenskünstler, der sich, solange er körperlich dazu in der Lage war, auch mit handwerklichen Arbeiten – er war gelernter Installateur – über Wasser hielt, auch wenn dieses lange Zeit fernab religiöser Wunder verdächtig nach Wein schmeckte.

Günter übte auch etliche Jahre, bis 1991, die Profession des Sargträgers aus, gut zwei dieser Jahre waren Günter und ich Arbeitskollegen auf den Friedhöfen in und um Linz.

Mitte der 1990er erkrankte Günter schwer, eine Notoperation verhinderte, dass er sich mit dem Rollstuhl als Fortbewegungsmittel anfreunden musste, seine körperliche Beweglichkeit war jedoch ab diesem Zeitpunkt und vor allem in seinen letzten Lebensjahren zusehends eingeschränkt.

Auf Günters zahlreiche Ausstellungen detailliert einzugehen, ist mir bei diesem „Entwurf eines Nachrufes“ nicht möglich, ich erinnere daher nur beispielhaft an die Ausstellung rings um die Geschehnisse beim Noricum-Prozess, den Günter als Geschworener miterlebte und später auch literarisch verarbeitete. Diese Ausstellung fand in der damals schon in die Kirchengasse 4 übersiedelten „neuen Stadtwerkstatt“ im Dachgeschoss statt.

Eine weitere der vielen bemerkenswerten Ausstellungen von Günter behandelte das Thema „Jugend im dritten Reich“, zu sehen waren diese Exponate in der Gaststube der Alten Welt.

Anlässlich der Ausstellung „Brandzinken Günter: Benedikt Pillwein, Pamphlete gegen Österreich“, die 2003 in der OÖ. Landesbibliothek in Linz stattfand, schrieb der nunmehrige Brandzinken Günter über seine Beschäftigung mit den Zinken:

Die Brandzinken

Seit 1990 sind das Rotwelsch und die Gaunerzinken mein persönliches Forschungsthema. Besonders die Werke des Begründers wissenschaftlicher Kriminalistik, Prof. Hans Groß, waren für mich eine wichtige Grundlage. Diese Wörter und Zeichen einer vergangenen Subkultur waren Chiffren, die nur von eingeweihten Personen gehört, gelesen und verstanden werden konnten. Mich faszinierte die sprachliche und bildnerische Phantasie der Urheber.

In der Ankündigung einer Sendung mit Günter schrieb ich 2009:

Hochegger kreierte auch eigene Zinken oder wandelte vorgefundene in Abstimmung zu Themen, die ihn stark interessierten – beispielsweise zum Noricum-Prozess – um.

Günter Hochegger brannte seine Zinken auf Holz oder Jutesäcke, fallweise auch auf Papier, wie bei der Ausstellung über den in Ungnade gefallenen Herausgeber der Salzburger Zeitung Benedikt Pillwein, dessen kopierte Handschriften Günter als Hintergrund heranzog.

Die „Gaunerzinken“, mit denen sich Hausierer, Bettler, fahrendes Volk und auf der Walz Befindliche verständigten, waren zweckdienliche Hinweise dieser Menschen, die dazuschauen mussten, wo sie bleiben und wo es für sie etwas zu holen gibt. Wie ein von mir gerade gelesener Artikel aus einer Salzburger Regionalzeitung beweist, sind die im Artikel verächtlich als „Kritzeleien“ bezeichneten Zinken nach wie vor in Gebrauch.

Die Auseinandersetzung mit „Geschichte von unten“ war für Günter eine Leidenschaft, der er sich mit Ausdauer und Akribie widmete, was sich auch in der Intensität und im Ausmaß seiner Recherchen in Archiven und Bibliotheken äußerte, wenn er einem Thema auf der Spur war. Diese Eigenschaft hat mich schon zu seinen Lebzeiten beeindruckt.

Nach 2003 rückte für Günter das Schreiben dermaßen in den Vordergrund, dass keine weiteren Brandzinken entstanden.

Im Literaturnetz OÖ findet sich daher folgender, von Günter selbst verfasster Eintrag zu seiner Person: Seit 2004 gehöre ich zum Kreis der O.Ö. Regional – und Heimatforscher. Ich bin Autor und Heimatforscher mit Schwerpunkt Sozialgeschichte im Vormärz.

Günter Hochegger trat seit 1995 als Verfasser von Erzählungen an die Öffentlichkeit, die vorerst in Zeitungen und Magazinen, später auch in Anthologien abgedruckt wurden.

Seit dieser Zeit war Günter auch in zahlreichen Lesungen zu hören, die bei den später folgenden Buchpräsentationen mitunter an ungewöhnlichen Orten stattfanden, wie beispielsweise am Landesgericht Linz – so auch bei seinem letzten Buch.

Mitunter waren es auch „szenische Lesungen“, beispielsweise gemeinsam mit Zeugswetter Lilli oder mit Christine, Kolleginnen aus der Redaktion der Kupfermuckn, der Günter seit einigen Jahren angehörte.

Auch für eines der Theaterstücke, die von der Arge Theater – der Theatergruppe der Arge für Obdachlose – aufgeführt wurden, verfasste Günter einzelne Szenen.

 

Die Bücher von Günter Hochegger (leider weitgehend vergriffen, Verlag v.a. Edition pro mente)

2001 Doktor Michl, vulgo Kalchgruber am Elmberg
2003 Gschichtn von an Soargtrager
2004 A Raubersgschicht (über den Noricum-Prozess)
2007 Kriminalrichter Karmayr
2009 Dippeln – Kriminalrichter Karmayr Band II

2010 Ein literarischer Beitrag von Günter Hochegger findet sich in
Schriften zur Literatur und Sprache in Oberösterreich 14 / Oberösterreichische Schriften zur Volksmusik 10:
ÜBERGANG. Kommunikation in der Stadt und an ihren Rändern, hg. vom Adalbert-Stifter-Institut
und OÖ Volksliedwerk

2012 Gib dem Feuer keine Nahrung (über die Frühzeit der Linzer Stadtwerkstatt)
2012 Gebetbuch für Ganoven
2014 Midimanderl von an Gaschierer (im Selbstverlag)

Für Anfang 2015 hatte Günter die Herausgabe eines neuen Buches, eine Fortsetzung der “Midimanderl von an Gaschierer”, wiederum im Selbstverlag und in Zusammenarbeit mit Ingemar Goldberger, geplant. Ob und vor allem wann dieses Buch posthum gedruckt wird, ist derzeit noch offen, die auf Günters Computer gespeicherten Texte können, da die Wohnung bis zur Testamentsvollstreckung nicht betreten werden darf, derzeit nicht eingesehen werden.

Andi Wahl, der im Mai 2014 anlässlich seiner Sendereihe „Bücher-Wahl“ mit Günter Hochegger ein Gespräch über dessen Schaffen und sein aktuelles Buch geführt hat, schreibt in der Ankündigung der Sendung u.a.:

Hochegger stützte sich schon in seinen Brandzinkenarbeiten auf die Aufzeichnungen von Kahatan Karmayr, der in der ersten Hälfte des 19. Jh. Richter am Landgericht Freistadt war und eine umfassende Sammlung an Zinken und „Slangwörtern“ zusammenstellte. Auch in seinem literarischen Schaffen greift Hochegger gerne auf diese Sammlungen zurück.

In seinem letzten Buch „Midimanderl von an Gaschierer“ hat Hochegger sich der Sprache der damaligen Unterschichten und Kleinkriminellen angenommen und in dieser Tagebucheinträge verfasst, die sich über ein volles Jahr ziehen. So stellt er ein Jahr im Leben eines sehr ausgefuchsten und lebenslustigen Kleinkriminellen dar.

Besagte Sendung ist nachzuhören unter: http://cba.media/258686

Eine weitere Sendung mit Günter Hochegger als Studiogast, anlässlich des zweiten Karmayr-Bandes, findet sich unter http://cba.media/14088 im Archiv.

Ein von Tanja Brandmayr im Frühjahr 2012 für die Versorgerin geführtes Gespräch mit Günter Hochegger findet sich unter:

http://versorgerin.stwst.at/artikel/mar-27-2012-1855/günter-das-ist-gegenkultur

 

Möge der „Große Wakan-Tanka“, von dem Du früher oft gesprochen hast, Dich begleiten, Günter.

Erich Klinger

Zuletzt geändert am 16.09.14, 00:00 Uhr

Verfasst von Veronika Moser

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