Kathrin Röggla – Lesungsausschnitt; Dietmar Füssel – Gedichtband “Menschenfleisch”
Am 27.02.2014 war Kathrin Röggla im Linzer Stifterhaus bei "Stifterthemen - Lebensthemen: Katastrophen und Bedrohungen" als Lesende bzw. im Gespräch mit Werner Michler und Christian Schacherreiter zu Gast.
Nachspann bringt ihren Lesungsteil aus “besser wäre: keine” (erschienen 2013 im S. Fischer Verlag, Frankfurt) zu Gehör.
Die in Salzburg geborene und seit geraumer Zeit in Berlin lebende Autorin Kathrin Röggla ist eine der bedeutendsten deutschsprachigen ChronistInnen der Gegenwart.
So dokumentierte sie den 11. September 2001 im Gegenüberstellen medialer und von ihr vor Ort erlebter Wirklichkeit, mit mitunter fließenden Grenzen – “really ground zero”. In “wir schlafen nicht” ging sie daran, die Arbeitswelten von Online- und Beratungsfirmen wiederzugeben, in der Sprache dort arbeitender Menschen, mit denen sie oft lange Gespräche geführt hatte. Gespräche, in denen mitunter so etwas wie “geistige Selbstauflösung” sichtbar wurde, Sprache als Konstrukt einer irrealen und zugleich oft großen Einfluss ausübenden Parallel-Welt. Und auch die ständige Beschäftigung mit Katastrophen und Angst-Szenarien, geschürt und genährt durch ein Übermaß an Informationen oder Informationspartikeln aus der ganzen Welt, deren Auswirkung u.a. jene ist, dass die Gefahren, auch aus gesellschaftlichen Entwicklungen heraus, die den Menschen tatsächlich bedrohlich werden, gar nicht mehr wahrgenommen werden, wurde von Röggla in jüngster Zeit eindrucksvoll präzise dargestellt.
Und der im Innviertel lebende Schriftsteller Dietmar Füssel hat mit “Menschenfleisch” einen Gedichtband herausgebracht, aus dem ich einige Kostproben zum Besten geben werde (erschienen kürzlich in der EDITION ROESNER – Mödling/Maria Enzersdorf).
Ich hoffe, Dietmar ist mir nicht gram, wenn ich vorab auf Eugen Roth verweise, an dessen Werk ich mich bei einigen der Gedichte von Dietmar Füssel erinnert fühlte, für meine Begriffe war Roth ein ebenso scharfsinniger wie feinfühliger Beobachter, wie aus dem kurzen Gedicht von Roth hervorgeht:
Seltsam genug
Ein Mensch erlebt den krassen Fall,
Es menschelt deutlich, überall –
Und trotzdem merkt man, weit und breit
Oft nicht die Spur von Menschlichkeit.
Nun ist Füssel alles andere als ein “Nachahmer”, auch findet sich im Gedichtband “Menschenfleisch” keine durchgehende Charakteristik der Gedichte, keine Zuordnbarkeit oder Möglichkeit, den Dichter ohne seltsame Gehirnakrobatik zu “schubladisieren”.
Dietmar Füssel dichtet bisweilen scheinbar “leichtfüßig”, verspielt, mit Worten und Inhalten spielend, bringt aber “im nächsten Atemzug”, vielleicht sogar schon in der nächsten Strophe des selben Gedichts, gesellschaftliche Schwach- und Bruchstellen auf den Punkt, in kleinen oder größeren “Welten”.
Was mir zum Gedichtband noch einfällt: die Gedichte sind bisweilen derb, oder anders gesagt, sehr direkt, mitunter damit spielend, die Dinge sprachlich auf den Kopf zu stellen, sie sind, auch dort, wo sie Missstände benennen, ohne moralisierenden Tonfall. Und Dietmar Füssel ist ein Schreibender, der Humor besitzt, facettenreich und vor allem auch nicht vor dem edlen Handwerk (Schreibwerk) des Dichtens/des Dichters selbst Halt machend.
In Folge 14 der Sendereihe Nachspann weiters eingangs- und ausgangs sowie zwischendurch zu hören: Musik von Gillian Welch*, Eleni Mandell*, Feather Drug*, Crosby, Stills, Nash & Young sowie Neil Young* (*aus jüngeren Alben).
Vollständige Beschlagwortung der Sendung mit Liste der gelesenen Gedichte siehe unter: http://cba.media/258518
Erich Klinger, 28.04.2014/05.05.2014
Mit Unterstützung der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV).
Zuletzt geändert am 27.04.14, 00:00 Uhr
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