Media Machine – Ein- und Angriffe migrantischer Medienproduktion
Gesellschaften und demokratische Systeme in Europa sehen sich immer stärker mit Phänomen wie Politikverdrossenheit, Ohnmacht und Gleichgültigkeit der BürgerInnen gegenüber den hegemonialen Verhältnissen und populistischen Strömungen in der Politik konfrontiert. Dies sind Ergebnisse eines politischen und demokratischen Diskurses, der von ökonomischen Interessen innerhalb von Gesellschaften beeinflusst und durch LobbyistInnen, transnationale Konzerne und ExpertInnen repräsentiert wird.
Diese gegenwärtige Entwicklung wird als eine postdemokratische Gesellschaft[1] beschrieben, die auf der Annahme beruht, dass die Durchsetzung der Interessen von Wenigen zu einer Aushöhlung von demokratischen und politischen Strukturen und dadurch zum ökonomischen Vorteil dieser Eliten führt.
Dem gegenüber stehen eine große Anzahl von zivilgesellschaftlich organisierten Initiativen, die sich mit den partikularen Problemstellungen innerhalb von europäischen Gesellschaft auseinandersetzen und als RepräsentantInnen einer kritischen Reflexion mit den aktuellen kulturellen, sozialen, ökonomischen und künstlerischen Diskursen betrachtet werden.
Dennoch werden BürgerInnen nicht mehr als politisch agierendes Subjekt wahrgenommen, sondern nur mehr als austauschbare Objekte von Gesundheits – , Sozial – und Erwerbstätigkeitsstatistiken etc. Die aktive Beteiligung von BürgerInnen an demokratischen Prozessen ist auf das Ausfüllen von Wahlkarten alle paar Jahre beschränkt und zeigt durch die sinkende Wahlbeteiligung in den europäischen Staaten, dass es immer schwieriger wird sich mit einem gesellschaftlichen Gesamtprojekt, wie Parteien oder Parteiprogramme, zu identifizieren bzw. spiegeln Wahlprogramme nur jene Themen – in zumeist populistischer Form – wider, für die sich Mehrheiten finden lassen.
Die großen Erzählungen sind vorbei
So scheint das Fehlen der Grand Narratives und die Unterwanderung staatlicher Strukturen die Demokratie und ihre politischen RepräsentantInnen in einen sich fortführenden Prozess der Aushöhlung zu stürzen, der zu einer Neudefinierung von (Macht-)Zentren, Peripheriegebieten, Exklusions- und Inklusionsmechanismen innerhalb der europäischen Gesellschaften führt. Darüber hinaus verfestigt sich ein reproduzierendes Finanz – und Kapitalsystem, das sich – allen Krisen zum Trotz – als Alleinstellungsmerkmal einer funktionierenden Demokratie präsentiert.
Diese Form der Demokratie ist durch eine Aufwertung von ExpertInnen, Lobbys und die dadurch entstehenden Wissens – und Machtmonopole geprägt, die eine Auslagerung von politischen und demokratischen Prozessen auf institutionalisierte Machtzentren – Finanzmarkt, transnationale Konzerne – bedeutet. Die politischen Entscheidungen verlagern sich von einer demokratischen Teilhabe der BürgerInnen zu einer ExpertInnenschaft von Wenigen, die eine neue Art von Exklusionsmechanismus für Entscheidungsfindung in einer Gesellschaft generieren.
Auf der anderen Seite sieht man sich seit dem Ende des 20. Jahrhunderts einer steigenden Anzahl und stärkerem Engagement der Zivilgesellschaft in Form von Nichtregierungsorganisationen und Initiativen gegenüber. Diese Plattformen verstehen sich als Verhandlungsräume für Partikularinteressen und Personen die konkrete politische, ökologische, soziale und ökonomische Problemstellungen betreffen und sich für diese Themen einsetzten und engagieren.
Repräsentation jenseits der ExpertInnenschaft
Die Dominanz von ExpertInnen und LobbyistInnen in Bezug auf politische und demokratische Prozesse stellt ein gravierendes Problem für die Repräsentation von marginalisierten Gruppen in der Gesellschaft dar. Diese Situation produziert die Frage nach der Rolle von ExpertInnen als Sprachrohr für marginalisierte Gruppen und welcher Wert diesen Meinungen beigemessen werden soll.
Wie können marginalisierte Gruppen in einer Gesellschaft, die den ExpertInnen eine große Definitionsmacht einräumt, in ihrer Gesamtheit repräsentiert werden?[2] Können diese Gruppen überhaupt repräsentiert werden und wer sind dann jene, die dieses Sprachrohr bilden. Welche Formen kann dieses Sprachrohr annehmen und welche Mechanismen treten zu Tage?
Rolle selbstorganisierter und partizipativer Medien in Zeiten der Expertenschaft
Ende der 1990er entstand eine geraume Anzahl von Medieninitiativen in Österreich, die sich dem offen Zugang und der Medienproduktion jenseits der Kommerzialität verschrieben haben und dieser Umstand wurde auch zu einem großen Teil in den migrantischen Communities in Österreich als eine Chance und Möglichkeit wahrgenommen, sich als mediales und vor allem auch politisches Subjekt in die gesellschaftliche Diskussion einzuschalten, die bis zu den Gründung der nicht – kommerziellen Rundfunkanbieter nicht möglich war.
Das erfolgreich betriebene Empowermentprojekt, wird in den letzten Jahren aber von einer stetigen xenophoben, fremdenfeindlichen und rassistischen Medienlandschaft konterkariert. Die Berichterstattung der Mainstreammedien zum Thema Migration scheint sich immer stärker an den restriktiven Diskursvorlagen der politischen Eliten zu orientieren und diese Medien vermitteln nur sehr selten eine aktive und kritische Sichtweise auf gesellschaftliche Situationen und Gegebenheiten. Welche Formen der Interventionen ergibt sich aus diesen Entwicklungen für die Freien Medien und stellen die gegenwärtigen Angebote an die migrantischen Communities überhaupt noch die adäquate Form dar?
Diskussionsforen und öffentliche Diskussion
Radio FRO 105.0 MHz setzt sich im Zuge der ARS Electronica mit diesen grundlegenden Fragestellungen einer sich stetig populistischer auftretenden Medienlandschaft in Bezug auf das Thema Migration auseinander. Vor allem sind die Entwicklungen und Veränderungen innerhalb der freien Medienszene in Österreich und Europa der Fokus: Wie kann man sich als partizipatives und offenes Medienprojekt in einer sich stetig rassistischen und mit völkischen Begriffen kokettierenden Medienlandschaft positionieren? Welche Formen und Potentiale der Intervention in Strukturen, aber auch im öffentlichen Raum bringen Freie Radios noch hervor?
In zwei Diskussionsforen und einer Podiumsdiskussion werden AkteurInnen und Organisationen in einen dynamischen Prozess eingebunden, Fragestellungen und Problemsituationen diskutiert und Möglichkeiten der Kooperation und Vernetzung geschaffen.
Text: Alexander Vojvoda
[1] siehe Crouch, Colin „Postdemokratie“ (2008)
[2] siehe Spivak, Gayatri Chakravotry „Can the Subaltern Speak?“ (2008)
Zuletzt geändert am 22.08.11, 00:00 Uhr
Kommentare werden von der Redaktion moderiert. Es kann daher etwas dauern, bis dein Kommentar hier erscheint. Wir behalten uns vor, diskriminierende oder diffamierende Kommentare, sowie solche, die straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen, zu entfernen.