Mo 04. Nov 2024

Frauen zu emotional zum Autofahren?

Das könnte man denken, wenn man sich das Cover des ÖAMTC Mitgliedermagazins “auto touring” vom August/September 2024 ansieht. Abgebildet sind zwei Frauen, die Beifahrerin hat einen wütenden/genervten Gesichtsausdruck, die Fahrerin lächelt glücklich.Die Coverstory trägt den Titel: Wenn Wut und Freude lenken – Wie stark uns Emotionen im Straßenverkehr beeinflussen, wie wir am besten mit unseren Gefühlen umgehen.

2 Frauen sitzen in einem Auto. Die Beifahrerin schaut genervt, die Fahrerin glücklich. Es handelt sich um das Cover der Zeitschrift auto touring. Unter den Frauen steht der Titel der Coverstory: Wenn Wut und Freude lenken.

Titelseite der auto touring Zeitschrift des ÖAMTC. Foto: Sigrid Ecker

FROzine Redakteurin Sigrid Ecker ist das sauer aufgestoßen, sie findet die Verbindung zwischen Frauen hinterm Steuer und emotionales Verhalten ziemlich sexistisch. Frauen es nicht zuzutrauen, rationale Entscheidungen zu treffen und schlicht zu “hysterisch” zu sein, haben in der Politik, Gesellschaft und im Gesundheitswesen dazu geführt, dass Frauen und ihre Körper jahrhundertelang unterdrückt und nicht ernstgenommen wurden.  Sigrid Ecker hat deutliche Worte gegen diese klischeehafte Zuschreibung in einer E-Mail an den ÖAMTC gefunden:

Guten Tag,

sehr habe ich mich über das Titelbild zur Coverstory der letzten Ausgabe Ihres Magazins geärgert.
Ernsthaft? Beim Thema „Wenn Wut und Freude lenken“ konnten Sie nur zwei blonde Frauen finden- die eine ärgert sich, die andere ist verliebt!!??

Das ist die Argumentation, die Frauen lange Zeit vom Wahlrecht ausschloss und heute noch von den Führungsetagen. Diese überholten Rollenklischees „die gefühlsgesteuerte Frau“ und “der rationale Mann“ leiten Sie also an.

Doch ist es nicht so, dass die überwiegende Mehrzahl von Unfällen und Verkehrstoten auf den Fahrstil von Männern zurückzuführen sind? Laut VCÖ sind es nämlich doppelt so viele: im Zeitraum von 2020 bis 2023 verursachten Männer 64.238 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, Frauen hingegen mit 30.105 nicht einmal halb so viele.

Aber Sie drucken zwei Frauen ab, die stellvertretend für Wut und Freude hinterm Steuer stehen.
Das empfinde ich als Frechheit. Daher kündige ich meine langjährige Mitgliedschaft bei Ihnen. Mal schauen, wie es um die Frauenfeindlichkeit beim ARBÖ bestellt ist.

Gruß,
Sigrid Ecker

Als Reaktion des ÖAMTC kam eine Antwort des Chefredakteurs von auto touring, Stephan Strzyzowski. Er sagt, dass in der Redaktion darüber diskutiert worden sei, einen Mann und eine Frau am Cover abzubilden. Dagegen wurde sich entschieden, um nicht dem Stereotyp der meckernden Frau zu entsprechen. Wenn wiederum die Frau glücklich gewesen wäre und der Mann unzufrieden geschaut hätte, würde ausgesagt werden, dass der Mann genervt vom Fahrverhalten der Frau sei. So habe man sich für die zwei Frauen entschieden. Grundsätzlich bemühe sich auto touring darum, Frauen stärker darzustellen und ihnen mehr Raum zu geben. Allen Fettnäpfchen gelinge es ihnen aber noch nicht zu entgehen.

Sigrid Ecker merkt in der darauffolgenden Kommunikation treffend an, wie die Darstellung besser geglückt wäre:

Warum kamen Sie nicht auf die Idee zwei Männer abzubilden? Oder einen Mann, der sich am Steuer sitzend ärgert und eine Beifahrerin, die Spaß hat?
Beide Versionen würden Ihre angeführten Argumente entkräften.

Sie wissen so gut wie ich, dass Bildsprache sehr mächtig ist. Es geht nicht unbedingt darum, was Sie insinuieren wollen, sondern darum, was das Bild ausdrückt im Kontext mit der Headline. Und da liegt es auf der Hand: Zwei Frauen -> Emotion(sgesteuert) ->  Beeinträchtigung des Fahrvermögens durch Emotionen. Das ist eine eindeutige Zuschreibung, die die fatalen Geschlechter-Stereotypen der letzten Jahrhunderte untermauert, weiterverbreitet und damit verstärkt.

Bezüglich Fettnäpfchen: Ja in einer ungerechten Welt ist der Weg zur Gerechtigkeit oft komplex. Und so ist Ihr Bestreben Frauen möglichst präsent zu machen in Ihrer Bildsprache in diesem Fall eben genau das falsche Signal, da die emotionsgesteuerte Frau ein wirklich grundlegendes Unterdrückungs- und Abwertungsargument darstellt.
Es sorgt nicht automatisch für mehr Gleichberechtigung, nur weil mehr Frauen abgebildet werden. Im Gegenteil, Frauen sind wahrscheinlich häufiger abgebildet als Männer, man denke nur an die Werbung. Es braucht hier schon etwas mehr Differenzierung und Kontextualisieung.
In diesem Fall wären tatsächlich zwei Männer dahingehend gescheiter gewesen, denn es hätte mit der besagten Totschlag-Rollenzuschreibung emotionsgesteuerte Frau gebrochen. Und hätte auch der Wirklichkeit besser entsprochen, wie die Unfallstatsitik zeigt.

 

Mit Gleichberechtigung und Frauenquote zu argumentieren, wenn im Endeffekt dann wieder nur schädliche Stereotype reproduziert werden ist leider nur gut gemeint, nicht gut durchdacht.

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