Nein! Man muss nicht nur wollen.
/// von Sabina Köfler
Schwer is leicht wos, sagt man gerne in Bayern. Dass ein und die selbe Sache für die Eine ganz easy und für den Anderen unmöglich ist, weiß bei Radio FRO 105.0 niemand besser als Sabina Köfler. Tagtäglich unterstützt sie RadiomacherInnen in deren Bemühungen, IHRE Sendungen on air zu bringen. Sabinas Annäherung an Barrierefreiheit erklärt auch, weshalb wir diesem Thema einen eigenen Schwerpunkt widmen. Besser kann es nicht gesagt werden!
„Radio machen ist ganz einfach!“ – Wie oft habe ich diesen Satz in den letzten beiden Jahren, seit ich bei Radio FRO arbeite, schon gesagt. Und ja, Radio machen ist wirklich ganz einfach: Man muss sich dafür nur ein Thema überlegen, ein bisschen recherchieren, Musik aussuchen, ins Studio kommen, die Regler des Mischpults verstehen und dieselben auch bedienen können, ins Mikrofon sprechen, einen CD-Player oder Computer steuern. Und wenn man die gleichen Aufgaben ein Mal in der Woche oder monatlich wiederholt, kann man sich auch schon RadiomacherIn nennen.
Man muss nur genügend…
Gut, fangen wir noch einmal ganz von vorne an: Vorausgesetzt man weiß, dass es Radiostationen gibt, bei denen die Bürgerinnen und Bürger das Programm selber machen. Wenn man dann einen Stadtplan lesen oder einen Routenplaner bedienen kann, sich dann durchfragen kann, wo denn dieses Haus sein soll, in dem Radio FRO sei, also jemand in der Nähe ist, der einem die Stadtwerkstatt zeigt, man es in den ersten Stock schafft, sofern der Lift eingeschaltet ist, sollten die Stiegen für eineN keine Option darstellen. Dann kann man sich glücklich schätzen, hat man doch die erste Hürde schon einmal überwunden und ist ja eigentlich schon IM Radio. Ja, Radio machen ist wirklich ganz einfach!
Man muss nur genügend freie Zeit haben, um den Weg in die Kirchengasse ein zweites Mal zu machen, also bloß keine Kinder haben. Und wenn doch, dann am besten eineN ganz tolleN PartnerIn mit genau so viel freier Zeit, um auf die Kinder aufzupassen. Oder einen Vollzeitjob, um den Kinderbetreuungsplatz zu finanzieren, überhaupt eine gute soziale Absicherung, einen guten Freundeskreis, um sich neben den ganz alltäglichen Problemen noch über die Möglichkeiten im Freien Radio informieren zu können.
Weiter geht’s: Ja, Radio machen ist ganz einfach! Man muss nur über die nötigen Kommunikationsmittel wie Telefon oder Internet verfügen, um sich ohne großen Aufwand für einen Sendeplatz zu bewerben, ein Sendungskonzept von cirka einer Seite schreiben, in dem man sich Gedanken darüber macht, wie man seine Sendung so gestalten will. Will man Leute einladen, Interviews führen, informieren oder unterhalten? „Und dann, dann lernst du bei uns im Basisworkshop alles, was du übers Radio machen wissen musst. Aber das ist alles ganz einfach!“
Man braucht nur…
Du musst nur genug Zeit einplanen um dich vorzubereiten, Geld für den Basisworkshop haben, Interviewfragen schreiben, ein Aufnahmegerät bedienen, mit dem Computer umgehen, ein Mischpult verstehen, das Medienrecht kennen, die Kaution für die Studiokarte bezahlen, creative commons-Musik finden, eine Playlist erstellen, einen Aircheck machen,… – ist doch ganz einfach.
Man braucht nur ein Paar guter Augen, zwei bewegliche Arme und die dazugehörigen Finger, technisches Verständnis, funktionstüchtige Ohren, gute Ideen, sprachliche Fähigkeiten, regelmäßige Arbeitszeiten und eine ausgeprägte Mobilität. Ähm, ja. Radio machen, das ist vielleicht gar nicht so einfach. Aber eigentlich kann das jedeR, wenn sie/er nur lesen und schreiben kann, „schwere Sprache˝ versteht, wenn das Geld für die Miete und das Essen reicht und darüber hinaus noch ein bisschen was übrig bleibt, wenn die Sozialabteilung des Landes für die Kosten der persönlichen Assistenz aufkommt, wenn die StraßenbahnfahrerInnen Lust haben, die Rollstuhlrampe zu betätigen und eineN nicht im Regen stehen lassen, wenn der Zugang zum Studio rollstuhlgerecht ist und der Sessel im Studio höhenverstellbar, um an die nötigen Geräte zu gelangen, wenn man nur gut genug Deutsch kann, um die Informationen auf der Website und im Workshop zu verstehen, wenn der Screenreader beim Navigieren durch die Website nicht irgendwo hängen bleibt, das Geld für die Braille-Zeile zur Verfügung steht, man nicht rund um die Uhr die Großmutter pflegen muss, man sich mit dem eigenen Stottern abgefunden hat und sich deswegen nicht schämt, und zur richtigen Zeit jemand zur Stelle ist, der einem das Urinal ausleert.
Ja dann, dann ist es aber wirklich ganz einfach.
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Sabina Köfler ist erste Ansprechpartnerin für zukünftige RadiomacherInnen und weiß, dass es gar nicht so einfach ist, Radio zu machen. Deshalb hat sich Radio FRO vorgenommen, Barrieren zu identifizieren und Wege zu suchen, sie abzubauen.
Zuletzt geändert am 20.06.12, 00:00 Uhr
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