Noch ist Polen nicht verloren… oder doch?
Die umstrittene Justizreform und der Kampf um die Demokratie
Seit Ende 2015 ist die Entwicklung in Polen sehr besorgniserregend. Bis dato hat die mit absoluter Mehrheit regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bereits mehrere umstrittene Gesetzänderung und Reformen im schnellen Verfahren beschlossen. Durch die Änderung des Mediengesetzes 2015 wurden die öffentlich-rechtlichen Medien in „nationale Kulturinstitute“ umgewandelt – Das bedeutet, dass sie nun direkt der Partei unterliegen.
Mit dem restriktiven Demonstrationsgesetz vom Dezember 2016 setzte die Regierung alles daran, Proteste zu unterdrücken. Die höchst umstrittene Änderung des Verfassungsgerichts im Jahr 2015 schwächte die RichterInnen als Kontrollinstanz der rechtskonservativen Regierung. Auch Dank wiederholten BürgerInnenprotesten kam es nicht zur Einführung eines kompletten Abtreibungsverbots. Als nächstes ist das Oberste Gericht dran. Der polnische Präsident Andrzej Duda unterzeichnete das erste von drei geplanten Gesetzen der umstrittenen Justizreform in Polen, welches die Entlassung aller RichterInnen des Obersten Gerichtshofs vorsieht. Während PiS ihre Entscheidung verteidigt, dass Polens Justiz nach dem Ende des Kommunismus nicht reformiert wurde und die Änderung lediglich „kosmetischer Natur“ ist, sieht das EU-Parlament die Reformen als Verletzung fundamentaler Prinzipien der EU-Verträge. Die Opposition spricht von einer Bedrohung für die demokratischen Grundwerte und die Unabhängigkeit der Justiz. Wegen der Eingriffe in die Justiz hatte die EU-Kommission schon Anfang 2016 ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet.
Verfolgt die Regierung in Polen mit einer Reihe von Gesetzen das Ziel, die Justiz des Landes zu schwächen und die demokratischen Strukturen Polen zu untergraben? Warum ist die Justizreform so umstritten? Inwiefern untergräbt die Reform die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter?
Interviewpartner: Lucjan Dzumla – Geschäftsführer des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit
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Im Juni und auch in den letzten Tagen haben tausende DemonstrantInnen gegen das erzwungene Ausscheiden zahlreicher RichterInnen des Obersten Gerichts protestiert. In Warschau, Danzig, Krakau, Lodz, Kattowitz und Breslau gingen DemonstrantInnen auf die Straße, um Verfassung, Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz zu verteidigen. BefürworterInnen der Demokratie skandierten “Freie Gerichte!” und “Nieder mit der Diktatur!”. Während ein Teil der Bevölkerung demonstrierte, versuchte das polnische Parlament das Justizsystem dauerhaft zu schwächen.
Gauri van Gulik von Amnesty International weißt darauf hin: „Friedlicher Protest ist ein Recht, aber in Polen ist dieses Recht extrem bedroht. Die Macht der Straße hat eine wesentliche Kontrollfunktion für die Macht des Staates.“ Und weiter: „Die polnischen Behörden müssen aufhören, Proteste zu kriminalisieren, die unverhältnismäßigen Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit aufheben und die Unabhängigkeit der Justiz garantieren, um den Schutz aller Menschenrechte zu gewährleisten.“
Direkte Einblicke in die vergangenen Geschehnisse in Polen erzählt uns ein Augenzeuge und Aktivist Andreas Kasperski aus Danzig.
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UNESCO Creative Cities Network Congress
Über 350 Delegierte aus 64 Ländern trafen sich in Rahmen des UNESCO Creative Cities Network Congress in Krakau und Kattowitz, kurz Krakowitz genannt, um sich zu beraten und um wichtige Entscheidungen bezüglich der weiteren Zusammenarbeit zu treffen. Vernetzung der Kulturen war das Leitthema des Kongresses. Es ist eine Kombination verschiedener Ideen, Austausch von guten Erfahrungen und neuen Ansätzen. Delegierte aus über 60 Ländern haben während ihres Aufenthalts in Polen die Möglichkeit, an Debatten, Sitzungen oder begleitenden Veranstaltungen teilzunehmen. Dazu zählen zum Beispiel das Miłosz-Festival, das World Music Festival oder das ElektroKilar-Konzert.
Das UNESCO Creative Cities Network Programm wurde 2004 ins Leben gerufen, um die nachhaltige, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung von Städten zu unterstützen. Sie können sich in sieben Bereichen für die Mitgliedschaft im städtischen Netzwerk bewerben: Literatur, Musik, Film, bildende Kunst, Design, Handwerk, Volkskunst und Gastronomie.Interviewpartner: Bürgermeister Klaus Luger
Durch die Sendung führt Dorota Trepczyk
Zuletzt geändert am 04.09.18, 14:34 Uhr
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