openAIR: Radio FRO forscht
Im Frühjahr startete Radio FRO mit der Umsetzung eines Forschungsprojektes, das die Arbeit im Radiostudio für Menschen mit Beeinträchtigung vereinfachen soll.
Seit 2006 bietet Radio FRO barrierefreie Radioworkshops an, aus denen sich über die Jahre eine offene Redaktion gebildet hat, die regelmäßig auf Radio FRO sendet. Da die Redaktion großteils aus Menschen mit Cerebralparese, also eingeschränkter Feinmotorik bzw. Beweglichkeit der Arme und Hände besteht, richtet sich openAIR explizit an diese Gruppe.
Freie Radios verfügen nicht wie öffentlich-rechliche oder privat-kommerzielle Radiostationen über eine Aufgabentrennung zwischen Technik, Moderation und Beitragsgestaltung, sondern verfolgen den Ansatz alle Teilschritte des Radiomachens gleichermaßen an die RadiomacherInnen zu vermitteln.
Da ein Radiostudio eine Vielzahl an technischen Geräten beinhaltet, die meist durch kleine Knöpfe, Dreh- und Schieberegler zu bedienen sind, ergeben sich hier für die Zielgruppe größere Barrieren, als sie für Menschen ohne diese Beeinträchtigung bestehen. Aus diesem Grund zielt das Forschungsprojekt speziell darauf ab die Bedienbarkeit der vorhandenen technischen Geräte zu analysieren und Möglichkeiten zu finden, diese zu verbessern.
Dabei steht im gesamten Forschungsprozess im Vordergrund, keine völlig neuen Technologien zu erfinden, sondern weitgehend bestehende Mittel aufzugreifen und durch geschickte Kombination von Hard- und Software eine einfache und kostengünstige Lösung anbieten zu können. Schon aus diesem Grund soll weitestmöglich auf Open Source Technologie zurückgegriffen werden. Zudem soll die daraus entstehende Bedienungseinheit möglichst nicht nur im professionellen, sondern auch im privaten Bereich einsetzbar und eben auch leistbar sein. Ziel ist es also eine Interfacelösung zu entwickeln, die als Prototyp im Studio von Radio FRO zum Einsatz kommen und dort auf ihre Alltagstauglichkeit getestet werden kann.
Um eine möglichst reibungslose Durchführung einer Livesendung gewährleisten zu können müssen mehrere Einzelprozesse gesondert betrachtet werden:
Bedienung des Mischpultes
Beim Mischpult stehen im Besonderen die Bedienbarkeit der Schieberegler (Fader), die zum Öffnen der einzelnen Kanäle, wie z.B. der Mikrofonkanäle und der Kanäle für externe Zuspielgeräte, im Mittelpunkt. Diese sind für Menschen mit eingeschränkter Feinmotorik nur schwierig zu bedienen, da hier oft ruckartige Bewegungen möglich sind. Selbiges gilt für die sehr klein ausgeführten Drehregler, die die Lautstärke und Klangqualität des Audiosignals steuern.
Bedienung des Computers
Da bei Livesendungen auch vorproduzierte Beiträge zum Einsatz kommen und häufig Musik eingesetzt wird, muss auch die Bedienbarkeit des Computers gewährleistet sein. In diesem Bereich stellen einerseits die handelsüblichen Eingabegeräte wie Maus und Tastatur Schwierigkeiten dar, andererseits kommen aber auch softwareseitige Probleme zum tragen. So muss etwa die Musik in einer Playlist gereiht werden. Die dafür verwendeten Programme bieten aufgrund ihrer kleinen grafischen Darstellung schlechte Voraussetzungen für eine flüssige und schnelle Bedienbarkeit.
Vorproduktion
Um beispielsweise im Vorhinein geführte Interviews oder Berichte von externen Veranstaltungen einspielen zu können, müssen einzelne Beiträge vorproduziert werden. Dafür kommen Aufnahmegeräte und Audioschnittsoftware zum Einsatz, die ebenfalls über Knöpfe und Schalter, wie auch über Eingabegeräte gesteuert werden. Da gerade dieser Bereich ist sehr arbeitsintensiv ist, weil hier sehr genau gearbeitet werden muss, um eine entsprechende Qualität zu erreichen, sollte dieser Prozess so einfach und intuitiv wie möglich gestaltet werden.
Wenn man nun die oben genannten Probleme genauer betrachtet, wird schnell klar, dass eine Vereinfachung bzw. Erleichterung der Bedienbarkeit nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung zugute kommt. Auch Menschen mit geringen technischen Kenntnissen oder beispielsweise ältere Menschen, die erst spät den Umgang mit Computern erlernt haben, können von dieser Verbesserung profitieren.
In einem ersten Arbeitsprozess wurde somit eine Reihe von Problemen aufgezeigt, die in weiterer Folge Schritt für Schritt genauer analysiert werden und für die Lösungsansätze gesucht werden. In Folge bedarf es einer kombinierten Einbettung aller nötigen Arbeitsschritte in eine modulare Steuerungseinheit, die mit verschiedensten Eingabegeräten bedienbar gemacht werden soll. Da am Markt bereits eine Vielzahl an alternativen Eingabegeräten existiert, können hier individuelle Lösungen für einzelne Radiomacher und Radiomacherinnen angeboten werden.
Das Projekt openAIR kann damit einen Beitrag zur Einbindung von Menschen mit Beeinträchtigung in den Arbeitsbereich des Radiojournalismus leisten, der momentan noch vielen Menschen aufgrund technischer Hürden verschlossen ist. Nicht zu vergessen ist allerdings auch, dass die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung an der Medienproduktion ein stärkeres Bewusstsein über Ausschlussmechanismen bestimmter Bevölkerungsgruppen in der Öffentlichkeit schaffen und somit in weiterer Folge auch auf gesellschaftspolitischer Ebene zu Veränderungen führen kann.
Das Projekt openAIR wird gefördert durch impulse und mit Unterstützung der Forschungseinrichtung Ars Electronica Futurelab umgesetzt.
Zuletzt geändert am 31.07.12, 00:00 Uhr
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