Radiokunst
Wir wollten gerade jetzt, wo
“da draußen” wieder einmal
“die Europameisterschaft” ausgebrochen ist, absichtlich
keine Fußballsendung machen. Oder zumindest eine Sendung mit dem Titel
“Der Fußball ist tot.
” Zumal es gute Gründe gibt,
die chauvinistische Unkultur, die solch
penetrant umworbene Geldspektakel mit sich bringen,
mit umfassender Abscheu zu quittieren. Ihr seht,
uns lässt das Thema auch nicht kalt. Weshalb wir uns auf die Suche
nach den schönen Seiten des Fußballs machen wollen und dabei hoffentlich etwas von
jener Fußballkultur wieder entdecken, die uns selbst zu
berühren und zu
inspirieren vermag. Denn in der
Leidenschaft, die mit
dem Spiel verbunden ist, lebt eine ganze
Gefühlswelt, die es vor
den gefräßigen Allesverwertesten zu retten gilt.
Beginnen wir folgerichtig mit den etwas
leiseren Tönen. Da gibt es zum Beispiel
zwei Jugendfreunde aus Norwegen, die als
“Kings Of Convenience” eins der schönsten
Musikvideos geschaffen haben, in dem
das Fußballspielen sich ganz natürlich im
Feingefühl der Kunst bewegt:
“Misread”. Es gibt sie also,
die Freunde, die das Spiel mit dem Ball zu einer
gemeinsamen Welt in friedlicher Verbundenheit verweben. Das möchte man auch
den eigenen Kindern wünschen und da stimmt selbst
Stephan Weidner, sonst Bassist der
Böhsen Onkelz, ein eher gefühlvolleres
“Lied für meinen Sohn” an.
Ach ja, wenns ums
Umarmen des Lebens geht und nicht ums
Auslachen,
Verächtlichmachen und
noch schlimmer Feindseliges, dann schau ja auch ich gern
den Nachbarskindern beim Kicken zu, hör
sie lachen und lehn mich zufrieden zurück in die beruhigende
Melodie ihrer Unterhaltung, in der
nichts Boshaftes mitschwingt, nur
Freundliches,
einander Aufbauendes,
Wohlgesonnensein und Lebensfreude.
Wenn wir jetzt schon
“keine Fußballsendung” machen und dennoch
“das Phänomen Fußball” aus dem Blickwinkel der Liebe heraus betrachten, dann darf einer der größten
Liebenden der Fußballgeschichte auf keinen Fall fehlen:
Predrag Pašić, der
mitten im Bosnienkrieg eine
Fußballschule für Kinder im belagerten Sarajevo gründete.
Hier in der legendären Doku
“Rebellen am Ball” von Eric Cantona wird ausführlich davon erzählt. Mitten in der
Schlammlawine des internationalen Konsumismus und der mit ihm verbundenen
postkolonialen Kolonialkriege leuchtet
die Wahrheit des Liebens.
Schon
Pier Paolo Pasolini hat ja kurz vor seinem Tod beschrieben, wie
diese globale Fusion aus Geldmacht,
Religion und Ideologie jedwede Kultur (und er erwähnt dabei auch die Fußballkultur) in einem
erstickenden Einheitsbrei aus Missgunst,
Neid und Käuflichkeit zugrunde richtet.
Die Poesie des Widerstands gegen eine so ausweglos erscheinende
Weltgewalt besteht in der
menschlichen Phantasie, deren
imaginative Kraft aus der
inneren Unendlichkeit ihrer Bilder gespeist wird. Fürwahr ein
Füllhorn an Lebensformen, das denen, die mit dem Ende drohen,
immer überlegen sein wird.
Wagen wir noch eine Prophezeihung: Das seltsame Ausblenden des Themas “Liebe und Zärtlichkeit, womöglich sogar Sexualität zwischen Männern”
in der Fußballwelt ist
ein letztes ungustiöses Aufrülpsen einer längst überholten
Gefühlsgewohnheit, die von vielen noch immer
als naturgegeben geglaubt wird, ihnen in Wirklichkeit aber von (siehe oben) Geldmacht, Religion und Ideologie
gefickt eingeschädelt wurde und wird. Vor einigen Jahren veröffentlichten
Sigur Rós dazu ein beeindruckendes Statement. Und Marcus Wiebusch von Kettcar ist sich absolut sicher:
“Der Tag wird kommen.”
Keine Fußballsendung? Doch eine Fußballsendung …