Public Access und Do it Yourself. Wie Radio FRO wurde, was es ist

Als Radio FRO am 6. September 1998 erstmals auf der terrestrischen FM-Frequenz 105.0 MHz on Air ging, hatte „Freies Radio“ in Österreich und in Linz schon einige intensive Jahre hinter sich... Von Alexander Baratsits

Als Radio FRO am 6. September 1998 erstmals auf der terrestrischen FM-Frequenz 105.0 MHz on Air ging, hatte “Freies Radio” in Österreich und in Linz schon einige intensive Jahre hinter sich [1]. Ich bin auf das Thema Freies Radio 1991 im Umfeld der KAPU gestoßen, als ich darüber einen Artikel für eine Musikzeitschrift schrieb: Es war die Zeit des PiratInnenradios, von denen es in OÖ kurzzeitig 5 gab, mit Treffen von bis zu 30 AktivistInnen. KUPF und Theater Phönix veranstalteten damals eine öffentliche Diskussionsveranstaltung; im OK kuratierte die KAPU Radio Show, mit Bert Estl als Motor, die Ausstellung “Radiolabor” mit Live-Übertragungen auf Radio OÖ, aus der schließlich das “Offene Radio “hervorging, ein anfangs 30-minütiges Sendefenster auf Radio OÖ für KünstlerInnen und Kulturgruppen [2].

PiratInnen werden AktivistInnen

Aus der Sache mit den “Kassettenradioshows” der KAPU und den PiratInnenradio-Sendungen, die nur 15 Minuten dauern durften, um den Peilwagen der Funküberwachung zu entgehen, war nicht zuletztwegen der scheinbaren Aussichtslosigkeit des Unterfangens irgendwann ein wenig die Luft draußen [3].Schwung in die Freie-Radio-Diskussion kam in Linz wieder 1993, durch das von der “Gesellschaft für Kulturpolitik” (GfK, eine Co-Produktion von Gernot Rammer und A.B.) veranstaltete “Radiowochenende”. Die GfK und die VHS Linz, wo ich jeweils für kurze Zeit einen Schreibtisch hatte, unterstützten, als das Regionalradiogesetz endlich verabschiedet wurde4, auch die Vorarbeiten für den ersten Lizenzantrag: Mit Unterstützungserklärungen von 45 Initiativen und Vereinen stellte der in Gründung befindliche Verein Freies Radio Oberösterreich [5] im April 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Rundfunklizenz.

Das Regionalradiogesetz sah jedoch bloß eine Regionalradiolizenz pro Bundesland vor, Lokalradiolizenzen sollten erst später vergeben werden. Wie erwartet ging die oberösterreichische Lizenz an Life-Radio, dessen Gesellschafter OÖ Nachrichten, Rundschau, Volksblatt und einige kleine “rote” Einsprengsel sich weiterhin selbst konkurrenzieren und die mediale Einöde noch weiter vertiefen sollten. Diese Lizenzentscheidung wurde von Radio FRO und anderen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) angefochten, der daraufhin nicht nur den Bescheid, sondern auch das Regionalradiogesetz als verfassungswidrig aufhob. Die Reparatur des Gesetzes ließ bis 1996 auf sich warten, erst 1997 wurden neuerlich Lizenzen vergeben.

Politiker-Nachhilfe

Die Zeit bis dahin nutzten wir damit, die Thematik “Freies Radio” inhaltlich grundlegend aufzubereiten und durch politisches Lobbying und Aktivismus voranzutreiben, für einige Jahre war FRO auch im Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) federführend. Die Stadtwerkstatt (STWST) bzw. Georg Ritter war im Zuge des Lizenzantrags 1994 zu den Aktivitäten gestoßen. Die STWST war damals vor allem in der Medienkunst, im TV- und im Netzbereich, aktiv und brachte neben Produktions-Expertise für Kunstprojekte vor allem auch den “Public Access”-Diskurs aus den USA in die Debatten ein [6]. Gemeinsam mit Franz Primetzhofer (Kanal / KUPF / IG Kultur Österreich), den ich 1992 bei einem Treffen der “Pressure Group Freies Radio” kennengelernt hatte, und dem “Fabrikanten” Gerald Harringer lancierten wir 1995 ein neues, am “Public Access”-Begriff orientiertes Konzept, samt Kampagne “Freie Frequenz Linz”. Mittlerweile war eine außerordentliche Expertise vorhanden, mit der wir u.a. den “Medien”-Politikern aushelfen konnten: Josef Cap, (Immer noch-) Mediensprecher der SPÖ mussten wir etwa erklären, dass für eine Regionalradio-Lizenz nicht nur 1e Frequenz in Verwendung ist, sondern im Fall von Life Radio ca. zwölf. Helmut Kukacka (damals Mediensprecher der ÖVP OÖ) lieferten wir eine Ausgabe des Genfer Wellenplans 1984, aus dem ersichtlich war, welche FM-Frequenzen noch frei waren.
Ein Höhepunkt des Aktivismus damals war, als Georg Ritter und Fredl Wögerbauer firmierend unter Sender “Freier Rundfunk Österreich” im Herbst 1996 vom Wiener Kahlenberg einen Wetterballon mit einem Sender steigen ließen. Die von Paul Fischnaller und Gabi Kepplinger produzierte Sendung wurde bei einer Pressekonferenz des VFRÖ live am Radiogerät verfolgt – für Freies Radio ein Durchbruch in der Aufmerksamkeit durch die Mainstream-Medien.

Radiokunst und Radioaktivismus

Parallel dazu entwickelte sich in Linz eine Radio-Produktionscrew, beginnend mit unserem ersten Ars Electronica-Projekt 1995, einem Beitrag zum (von Gerfried Stocker produzierten) „Horizontal Radio“ des Ö1 Kunstradio. Kunstradio war auch für eine Reihe weiterer Aktionen Anlass und Impulsgeber, etwa einen Beitrag für die documenta X. Aus Workshops und Kunstaktionen formierte sich die „Radiowerkstatt“, wo u.a. Paul Fischnaller, Susanne Weiß, Ingrid Palmetshofer, Ingrid Hinum, Claudia Dworschak, Roland Penzinger, Manfred Wollner, Gabi Kepplinger und Daniel Kahn aktiv waren. Mit dem Projekt “Vorlauf. Ein Pilot im Kabel“ wurde schließlich aus der „Pressure Group“ (damals vor allem auch Andrea Reisinger, Niki Dürk, Andreas Höckner und Andrea Mayr-Edoloyei) eine richtige Bewegung: Radio FRO simulierte ab Jänner 1997 sozusagen den „Ernstfall“ und nahm einen Probebetrieb im Netz von KabelTV Urfahr auf. Durch „Vorlauf“ wurde vorexerziert, wie so ein Freies Radio funktionieren kann, die für viele doch sehr abstrakte Idee wurde konkret fassbar: Der Erfahrungsschritt, dass Radiomachen auch ohne sehr viel Geld geht, dass binnen kürzester Zeit jede und jeder in der Lage ist, selbst das Mikro in die Hand zu nehmen und loszulegen, war wie schon vorher bei den Workshops und Kunstaktionen für alle ein echter Kick. Das Projekt bekam so immer mehr Eigendynamik, fast täglich war Party in der STWST, mehr als 150 Einzelpersonen und die verschiedensten Kultur- und MigrantInnenvereine, die ÖH oder die Diözese Linz kamen ins Studio und produzierten zumindest eine Sendung. Dem Mythos “Massenmedium Radio” erlag auch LH Pühringer, der vorher noch nie in der STWST gewesen war, und kam ins Studio, um sich das anzusehen – und das, obwohl gerade einmal 12.000 Haushalte über das Kabelnetz erreichbar waren, über das schon damals nur die wenigsten Radio hörten. Diese “Magic” des Freien Radios (O-Ton Martin Fritz) hat auch bei den späteren “Missionsprojekten” von Radio FRO, wie bei “waelderrauschen” in Freistadt oder zuletzt bei Radio B138 in Kirchdorf wieder eingeschlagen.

Die Frequenz “Linz 2” auf 105.0 MHz

Im Juni 1997 stellte die eben gegründete Freier Rundfunk OÖ GmbH, mit einigen der wichtigsten Linzer Kulturinitiativen als Gesellschafter, erneut einen Lizenzantrag. Der Kampf um die Durchsetzung der Lizenz gegen fünf Mitbewerber war langwierig und mühsam: Ganz zuletzt, an einem Freitagnachmittag, faxten Bgm. Dobusch und der damalige ÖVP-VizeBgm. Dyk (dem Vernehmen nach nicht ohne Kritik von der Landes ÖVP dafür zu ernten) einen Unterstützungsbrief für Radio FRO an die Behörde, am darauf folgenden Sonntag fiel die Vorentscheidung. Und da von der Landesregierung keine eindeutige Stellungnahme vorlag, war dieser Brief offenbar mit ausschlaggebend für die Lizenzerteilung an Radio FRO.
Als im Dezember 1997 der Lizenzbescheid kam, wurde das ausgiebig gefeiert – und weiter gearbeitet:
Binnen eines Jahres musste Radio FRO on Air gehen, eine Finanzierung gab es allerdings noch nicht. Einzig die Stadt Linz förderte das Projekt von Anfang an, LH Pühringer war auf Radio FRO nicht gut zu sprechen, und die anfänglichen Zusagen von Staatssekretär Wittmann stellten sich als überzogen heraus. Schlussendlich nahmen wir einen Investitionskredit für Sender und Studio auf, für den die Vorstandsmitglieder des Verein Radio FRO persönlich hafteten, und gingen ohne Subventionszusagen auf Risiko on Air, schufen also Tatsachen.

Ökonomisch unabhängig

Ein wesentlicher Aspekt des Selbstverständnisses von Radio FRO war von Beginn an, ein möglichst hohes Maß an ökonomischer Unabhängigkeit zu erreichen, um auch politisch unabhängiger agieren zu können. Das Ziel war, zumindest die Hälfte der Einnahmen selbst zu erwirtschaften, aus Sendezeitenverkauf (Medienkooperationen mit Kultur- und Bildungseinrichtungen), Abos (freiwillige UnterstützerInnen) und Projekten. Als im Zuge der „Wende“ und des damit einhergehenden Medien-Mainstreamings ÖVP-Staatssekretär Morak 2000 bzw. endgültig 2001 die Bundessubventionen strich, hat das FRO durchaus hart getroffen: Das Team (Personal-Höchststand 12 Leute) reduzierte sich um die Hälfte, der Umsatz des Jahres 1999 wurde seither nicht wieder erreicht. Durch die strukturelle Diversifizierung der Einnahmen fielen bei FRO dadurch aber unmittelbar „nur“ 20 Prozent der Einnahmen weg (mittelbar waren z.B. auch Arbeitsmarktförderungen betroffen) und der Fortbestand war nicht in Frage gestellt. Bei anderen Freien Radios machte die Bundesförderung zum Teil 90 Prozent der Einnahmen aus und war damit existenziell. [7]

(Medien-)Politische Positionierungen

Dafür, dass Radio FRO mit der Zeit so viel Zulauf hatte, gab es Mitte / Ende der 90er Jahre einige Ursachen, eine war die massive Unzufriedenheit mit dem vorhandenen Mediensystem: Der ORF war nur allzu offensichtlich „regierungsaffin“. Die Kronen Zeitung unterstützte die FPÖ und trug ständig zur Verschärfung des ohnehin aufgeheizten politischen Klimas bei, das nach dem „Ausländervolksbegehren“ der FPÖ und den Briefbombenanschlägen herrschte8. In OÖ hatte die FPÖ durch eine Flugblattaktion an jeden Haushalt KUPF und STWST als “linkes Netzwerk” unter “Terrorismusverdacht” gestellt [9]. Sich für Radio FRO zu engagieren bedeutete in dieser Situation die Möglichkeit, aktiv und offensiv für Meinungsäußerungsfreiheit und integrative Kommunikation eintreten zu können. 1995 waren wir im neuen Konzept für eine Freie Frequenz Linz von einem „Alternativmedien“- bzw. “Gegenöffentlichkeits”-Ansatz zugunsten eines gemischten “Public Access”-Ansatzes abgegangen – was Radio FRO immer wieder die Kritik einbrachte, dass das Programm keine eindeutige politische Richtung einnähme. Die “Godfathers” der deutschsprachigen Freien Radios, Radio Dreyeckland und Radio LoRa in Zürich, die in den 80er Jahren aus der Anti-AKW- bzw der Alternative-Jugendzentren- Bewegung entstanden waren, verfolgten ein Gegenöffentlichkeitskonzept: Es geht vereinfacht davon aus, dass die Medienlandschaft von bürgerlichen Medien dominiert wird, die die Interessen ihrer Eigentümer vertreten und entsprechend tendenziös agieren. Ihnen hätten Freie Radios alternative, unterdrückte Informationen entgegenzuhalten; umgesetzt wird dieser Programmauftrag in thematisch organisierten Redaktionskollektiven.
Der “Public Access”-Ansatz dagegen versteht das Freie Radio vor allem als Kommunikations- bzw. Diskussionsplattform, wo in “Do it yourself”-Manier nach dem “First come-first serve”-Prinzip das kommuniziert wird, wofür es Kommunikationsbedarf gibt. Die Freien Radios in Österreich heute sind wohl ein wenig von beidem.

Diskurs- und Kommunikationsplattform

Eine zentrale Redaktionsstruktur im Sinne eines Gegenöffentlichkeitskonzeptes hat es aber bei Radio FRO aus mehreren Gründen nie gegeben. Die Zeiten der sozialen Bewegungen waren lange vorbei, und Bewegungen wie in Freiburg oder Zürich hatte es in Linz (wohl generell in Österreich) in dieser Ausprägung nicht einmal in den 80ern gegeben, geschweige denn in den 90ern. Nicht nur deshalb hätte es nicht funktioniert, einen konkreten politischen Programmauftrag festzusetzen und die ehrenamtlichen Programmmachenden im Sinn dieses Auftrags zu „instrumentalisieren“. Was funktioniert hat – und noch immer funktioniert – ist, dass Leute in eigener Sache das Mikro in die Hand nehmen. Eine besondere Problematik des Gegenöffentlichkeitskonzepts liegt darin, dass es meiner Meinung nach letztlich darauf hinausläuft, dass der Sender eine inhaltliche Instanz einsetzen muss, die stellvertretend festlegt, was richtig und was falsch ist. Auch ein demokratisch gewähltes Gremium müsste sich also als letztlich elitäre Instanz aufspielen, die entscheidet, welche Meinungen am Sender vertreten werden dürfen und welche nicht.
Der Ansatz von Radio FRO war von Anfang an der, Kommunikation, Debatten in Gang zu setzen und sowohl die Programmmachenden als auch die HörerInnen als mündige ProduzentInnen bzw. RezipientInnen anzusehen. Wenn etwas auf dem Sender läuft, was wir nicht cool finden, dann stellen wir dem eine andere Sendung entgegen und stellen das Thema so in einen Diskurs. Dabei geht es durchaus auch darum, dass HörerInnen an diesem Diskurs teilnehmen, Kritik an Sendungen anbringen und sich aktiv einbringen.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Offenheit von Radio FRO war das Projekt auch politisch schlecht angreifbar: Niemand konnte Radio FRO vorwerfen, dass der Sender nur Programmmachende aus einer politisch-ideologischen Richtung zulassen würde. Damit war aber auch inhaltlich sehr viel möglich, Radio FRO hat z.B. im migrantischen Bereich10 in Österreich neue Standards eingeführt, einen neuen Medienbegriff mit etabliert.

Das ungebrochene Kommunikationsbedürfnis der Leute in Linz, der Kollektivinput vieler verschiedener Einzelpersonen und Gruppen, das “Do it Yourself” der Programmmachenden genauso wie technisch, strukturell und organisatorisch, das alles ist Teil dieser FRO-Magic, die Radio FRO trotz Unkenrufen und (zum Teil auch berechtigter) Kritik seit deutlich mehr als 10 Jahren seine Durchsetzungskraft verleihen.

Alexander Baratsits ist Gründungsmitglied des Vereins FRO und war von 1997 bis 2002 Geschäftsführer der FRO GmbH.

Zuletzt geändert am 13.11.08, 00:00 Uhr

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