Sendungsfeature Flaneur und Distel
Ein Mail-Interview mit Daniela Lipka und Hartmut Schnedl.//
Auf Radio FRO laufen viele bemerkenswerte Sendungen. Das ist einer der Vorteile, keinem Format verpflichtet zu sein. Und dann gibt es noch eine Handvoll Sendungen, bei denen einem die Luft weg bleibt, wenn man sie zum ersten Mal hört.
Mir erging es so bei Flaneur und Distel - es war die Nacht-Sendung. Ein Thema wählen und dessen unterschiedlichen Facetten nachspüren. Großartig! Am darauffolgenden Tag bin ich gleich mit leuchtenden Augen zu unserer Programmkoordinatorin Dorota, um ihr von meinem Hörerlebnis zu erzählen.
Da hätte ich aber auch Eulen nach Athen tragen können, denn Dorota kannte die Sendung natürlich – sie hat sie ja selbst ins Programm genommen.
Daniela Lipka und Hartmut Schnedl begeben sich in dieser Sendung nach draußen und erkunden auf ihren Streifzügen die unterschiedlichsten Dinge. Sie besuchen die kleinste Stadt Österreichs, nähern sich der Nacht kulturgeschichtlich und auf vielfältig andere Weise oder beschäftigen sich mit dem Regen. Dazu gibt es viele Querverbindungen und Querverweise. Lipka und Schnedl nehmen ihre Hörer*innen bei der Hand, um ihnen Neues zu zeigen – oder neue Seiten des vermeintlich Bekannten. Ein beinahe magisches Erlebnis.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, diese Sendung zu machen? Und wie hat sich diese Idee entwickelt?
Daniela: Es gibt Wissenschaftssendungen und Kultursendungen. Bei „Flaneur und Distel“ vermischen wir alles. Spuren des Lebens außerhalb der menschlichen Gesellschaft, gepaart mit Forschung, umrankt von cooler Musik und erhellt von Literatur und Film. So was hätte ich immer schon gern im Radio gehört.
Hartmut: Es gibt Themen, über die ich gerne mehr erfahren möchte. Und es gibt Menschen, die etwas zu sagen haben: Wissenschafter*innen, die zu ansonsten wenig beachteten Themen arbeiten, die Menschen, die viel aus ihrem Leben oder über ihre Erfahrungen erzählen können. In unserer Sendung lassen wir sie ausführlich zu Wort kommen. Dann gibt es Fundstücke, Themen aus Büchern und Filmen, die irgendwie zur Sendung passen, und über die ich frei assoziiere, ohne den Druck zu haben, ausgearbeitete Analysen abliefern zu müssen. Daniela ist Biologin, ich bin Landschaftsplaner, wir beschäftigen uns mit Tieren und Pflanzen, und wir reisen beide gerne. Da hat sich das Thema „Radio von draußen“ von selbst ergeben. Wir haben keine Vorgaben, deshalb können wir auch die Form der Sendung frei gestalten.
Seid ihr beide neugierige Menschen?
Daniela: Eher experimentierfreudig. Es interessiert mich, was herauskommt, wenn ich die Gedanken von anderen Menschen mit meinen als Interviewerin plus unsere Moderationstexte und Musik vermische. Auch im Alltag achte ich mehr auf Stimmen als auf Gesichter.
Hartmut: Ich schon. Ich möchte gerne wissen, was sich hinter der nächsten Wegbiegung verbirgt, oder was sich hinter Türen und Toren abspielt. Dabei bin ich eher passiv: Ich beobachte gerne und warte ab, was passiert.
Wie kommt ihr auf eure Themen?
Daniela: Unter der Dusche. Auch wenn es regnet, fällt mir schnell was ein. Deshalb die Idee zur Sendung über den Regen.
Hartmut: Manches hat mich schon länger beschäftigt. Zum Beispiel, dass Regen automatisch als schlechtes Wetter gilt, obwohl Regen sehr viele Facetten hat. Zu solchen Überlegungen suchen wir dann eher spontan die engeren Themen. Neue Ideen habe ich oft im Kaffeehaus, oder wenn ich im Zug fahre und aus dem Fenster schaue.
Was macht ihr (beruflich und privat), wenn ihr nicht Flaneur und Distel macht?
Hartmut: Ich arbeite als Redakteur für Fachzeitschriften. Das geht es um sehr spezielle und trockene Themen. Als Flaneur habe ich viel größere Freiheiten, das zu machen, was mich freut und was mich im Moment fasziniert. In unserer Freizeit verwirklichen Daniela und ich Projekte, die oft etwas schräg sind, und mit denen oft nur wenige Leute etwas anfangen können. Zum Beispiel haben wir in einem Wald Inschriften als Denkmal für Wildtiere in Stein gemeißelt. Wir haben ein Roadmovie mit einer Klappmaulpuppe als Videoblog gedreht und eigens verfasste Texte in einer Novembernacht auf dem Wiener Friedhof der Namenlosen vorgetragen. Außerdem habe ich einen Kriminalroman veröffentlicht und schreibe, wenn ich Zeit habe, an meinem zweiten Buch.
Daniela: Ich bin Biologin. Privat versuchen Hartmut und ich, das zu machen, was uns freut: Ideen verwirklichen, auch wenn sie noch so seltsam sind. Einreichungen schreiben, bei Kulturfestivals mitmachen, ein paar Worte in einen Stein meißeln. Für meinen ökonomisch denkenden Bekanntenkreis ist das, was wir tun, nicht mehr nachvollziehbar, denn wir verdienen kaum Geld damit. Für mich ist es Freiheit.
Welche Zielgruppen soll eure Sendung ansprechen?
Hartmut: In „Flaneur und Distel“ beschäftigen wir uns so gut wie gar nicht mit aktuellen Themen. Wenn ich von der Masse an Nachrichten überrollt und mutlos werde, ist das für mich so etwas wie ein Gegengift. Es gibt mir Gelegenheit, etwas zurückzutreten und die Welt in einem weiteren Zusammenhang zu betrachten und ungewöhnliche Sichtweisen kennenzulernen. Vielleicht sehen das ja unsere Hörer*innen auch so.
Alles Sendungen nachhörbar unter: http://cba.media/series/flaneur-und-distel
Außerdem zu empfehlen: www.literatur-aao.at
Zuletzt geändert am 23.03.16, 00:00 Uhr
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