Über Armut und Reichtum – Teil 2
Zwei Aktivistinnen im Gespräch über Armut und Reichtum: Daniela Brodesser, ehemals Armutsbetroffene und Millionenerbin Marlene Engelhorn über strukturelle Ungleichheiten und wie sie diese durchbrochen haben.
Der dritte Abend der Veranstaltungsreihe Zwischen ARM und REICH – Verteilungsfragen von lokal bis global, die von 15. Februar bis 4. April im Gemeindesaal Ottensheim stattgefunden hat war eine Podiumsdikussion mit der Armuts-Aktivistin Daniela Brodesser und der Taxmenow-Aktivistin Marlene Engelhorn.
Der Soziologe Meinrad Ziegler führte moderierend durch den Abend und eröffnete mit einem Input zur Einordnung der Begriffe und Kategorien arm sein und reich sein, sowie der Vermögensverteilung in Österreich. Er zeichnet ein Bild der Unterschiede, was Vermögen jeweils bedeutet und weist darauf hin, dass in Armut lebende Menschen, wie Sozialhilfeempfänger*innen sehr detailliert ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse darlegen müssen, im Gegensatz zu sehr reichen Personen – siehe die verschleierten Vermögen des René Benko zum Beispiel. Diesen Input jetzt hören.
Im ersten Teil des Gesprächs legte Ziegler den Fokus darauf wie sich Armut und Reichtum jeweils anfühlen? Wie sieht es in diesen Welten aus? Wie verhält sich das Umfeld?
Oder worüber sorgt und ängstigt man sich, wenn man reich ist? Welche Netzwerke gibt es? Und welche Berührungspunkte mit Menschen, die nicht in Reichtum leben?
Im zweiten Teil geht es um die Rolle des Sozialstaates für Reiche und für Armutsbetroffene. Diesen kann man bildlich gesprochen als Vermögen der Armen und der gesellschaftlichen Mitte betrachten, sagt Meinrad Ziegler. Die Idee dahinter ist es ausgleichend zwischen Arm und Reich zu wirken. Was müsste sich am Sozialsystem ändern, damit der Weg aus der Armut heraus erleichtert wird? Daniela Brodesser sagt dazu:
“Wir haben einen guten Sozialstaat, sonst würden fast 50% der Menschen in unserem Land an der Armutsgefährdungsgrenze leben, trotzdem gibt es zu große Lücken in diesem System, vor allem seit der letzten Änderung der Mindestsicherung zur Sozialhilfe.”
Und sie führt unter anderem aus, dass die Armutsgefährdungsgrenze für eine Familie mit zwei Kindern in Österreich bei 2.880 Euro liegt. Genau diese Familie bekommt in Oberösterreich, wenn sie Sozialhilfe benötigt nur 1.990 Euro, also fast 900 Euro unter der Armutsgefährdungsgrenze. Zum Vergleich in Tirol bekommt sie immerhin 2.800 Euro.
“Der Sozialstaat wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen, das heißt, er ist sehr jung und urzerbrechlich”, betont Marlene Engelhorn und “die meisten Reichen haben wenig Ahnung davon, weil sie kaum in Berührung damit kommen, wollen ihn aber trotzdem effizienter machen. Er hebt eine Million Menschen jedes Jahr über die Armutsgrenze, aber Hauptsache wir schimpfen über die Lohnnebenkosten.” Und an die Überreichen gerichtet: “Man kann den Sozialstaat finanzieren mit einer Vermögenssteuer und trotzdem reicher werden.”
In der anschließenden Publikumsdiskussion geht weiters um das Bedingungslose Grundeinkommen, um die Kräfte im Hintergrund, die gegen die Erbschaftssteuer arbeiten – um die enge Vetternwirtschaft in Österreich. Marlene Engelhorn wirft auch einen Blick auf die Landschaft der privaten Medien im Lande und wie diese über die Besteuerung von Vermögen berichten, sowie dem Einfluss der Politik darauf.
“Je normaler es wird, über Vermögen und Geld zu sprechen, darüber wie es eigentlich funktioniert, umso leichter können wir die Selbstverständlichkeiten ändern, wie wir miteinander umgehen”, so Engelhorn.
- Daniela Brodesser, selbst in einer Lebensphase in Armut geraten, macht mit ihrer Initiative ar-Mut auf die Folgen von Armut, wie Beschämung und Vereinsamung, aufmerksam. Sie schrieb das Buch Armut (Edition übermorgen – Kremayr & Scherlau Verlag, Wien 2023)
- Marlene Engelhorn, kämpft mit ihrer Initiative taxmenow und MillionairsforHumanity für eine Erbschafts – und Vermögenssteuer. Sie schrieb das Buch Geld (Edition übermorgen – Kremayr & Scherlau Verlag, Wien 2023)
Sigrid Ecker war an allen vier Abenden der Veranstaltungsreihe für Radio FRO dabei:
- 15. Februar, um 19 Uhr: Markus Marterbauer, Chefökonom der AK Wien und Vizepräsident des Fiskalrates – “Der Sozialstaat als Vermögen der Vielen”
- 29. Februar, um 19 Uhr: Karin Fischer (JKU Linz) – „Strukturen globaler Ungleichheit: wer profitiert, wer verliert?“
- 14. März, 19 Uhr: Podiumsdiskussion „Zwischen arm und reich“ – Daniela Brodesser (Armuts-Aktivistin), Marlene Engelhorn (Taxmenow-Aktivistin für Reichenbesteuerung)
- 4. April, 19 Uhr: Julia Hofmann – „Diffuse Gefühle: Wie werden Einkommensunterschiede in Österreich bewertet?“
Veranstalter*innen: Institut für Angewandte Entwicklungspolitik und DonauQuarz Ottensheim. In Kooperation mit: VHS OÖ, IG Welt Ottensheim, Internationale Donauakademie, Österreichische Gesllschaft für Politische Bildung, SPÖ Ottensheim.
Zuletzt geändert am 24.04.24, 08:24 Uhr
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